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Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Wasseroberfläche warf ein so perfektes Spiegelbild der darin stehenden Bäume, dass er sich nicht länger sicher war, wo er sich befand – ein anspruchsvoller Balanceakt zwischen zwei Spiegelwelten. Er verlor ständig das Gespür dafür, wo oben und unten war, weil der schwindelerregende Anblick der Zypressenäste über ihm derselbe war wie zu seinen Füßen. Die Bäume ragten fast dreißig Meter weit über ihm auf, und der Anblick der Wolken, die geradewegs durch die sanft schwankenden Äste unter ihm zu segeln schienen, vermittelte ihm ständig das Gefühl, er sei im Begriff zu fallen – ob nach oben oder unten, konnte er nicht sagen.

    Er hatte sich zwar den Zypressensplitter aus dem Arm gezogen und versucht, die Wunde so gut wie möglich sauber bluten zu lassen, doch unter seiner Haut steckten noch mehrere andere kleine Holzsplitter fest, und sein Arm war heiß und pochte – genau wie sein Kopf. Die Kälte und der Nebel waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben, und er wanderte langsam durch eine Welt aus Hitze und Stille, die an den Rändern schimmerte. Die Rückseiten seiner Augen brannten.
    Solange er die Augen fest auf das Wasser gerichtet hielt, das von seinen Stiefeln fortströmte, unterbrachen die v-förmigen Wellen das verstörende Spiegelbild, und dieser Anblick hielt ihn aufrecht. Aber wenn er den Libellen nachsah, verlor er schwankend das Gleichgewicht, weil sie weder dem Wasser noch der Luft anzugehören, sondern Teil von beidem zu sein schienen.
    Ein paar Zentimeter neben seiner rechten Wade tauchte eine seltsame Rinne im Wasser auf. Er blinzelte, dann sah er den Schatten, spürte die Wellenbewegungen des schweren Körpers. Ein bedrohlicher, spitzer, dreieckiger Kopf.
    Er schnappte nach Luft und erstarrte. Zu seinem riesigen Glück tat die Mokassinschlange das nicht ebenfalls.
    Er sah dem Tier nach und fragte sich, ob man es wohl essen konnte. Es spielte ohnehin keine Rolle; sein Froschspeer war zerbrochen, obwohl er immerhin drei Frösche gefangen hatte, bevor die improvisierten Knoten nachgaben. Kleine Frösche. Sie hatten nicht schlecht geschmeckt, obwohl sich das rohe Fleisch anfühlte wie Gummi. Sein Magen verkrampfte sich, und er kämpfte den irrsinnigen Impuls nieder, der Schlange nachzusetzen, sie zu packen und ihr mit den Zähnen das Fleisch von den Knochen zu reißen.
    Vielleicht konnte er ja einen Fisch fangen.
    Er blieb mehrere Minuten still stehen, um sicherzugehen, dass die Schlange wirklich fort war. Dann schluckte er und trat einen Schritt vor. Und ging weiter, den Blick fest auf die kleinen Wellen gerichtet, die von den Bewegungen seiner Füße ausgingen und das Spiegelwasser ringsum in Scherben zerbersten ließen.
    Kurz darauf kam jedoch Bewegung in die Oberfläche, und winzige Wellen schlugen zu Hunderten schimmernd gegen das graubraune Holz der Zypressen, sodass das schwindelerregende Wogen der Wolken und Bäume verschwand. Er hob den Kopf und sah den See vor sich.
    Er war riesig. Viel größer, als William gedacht hatte. Gewaltige Sumpfzypressen standen im Wasser, und dazwischen verblichen die Stümpfe und Skelette ihrer Vorgänger in der Sonne. Das andere Ufer war dunkel; es war dicht mit Tupelobäumen, Erlen und Mehlbäumen bewachsen. Das Wasser selbst schien sich meilenweit zu erstrecken, braun wie ein Tee aus den Extrakten der Bäume, die darin wuchsen.
    Er leckte sich die Lippen und bückte sich, schöpfte eine Handvoll des braunen Wassers und trank, dann trank er mehr. Es war Süßwasser, ein wenig bitter.
    Er wischte sich mit der nassen Hand über das Gesicht, und die kühle Feuchtigkeit ließ ihn unvermittelt fiebrig erschauern.

    »Also gut«, sagte er und fühlte sich atemlos. Er ging weiter, und der Boden vor ihm senkte sich immer weiter ab, bis William im offenen Wasser stand und das Dickicht des Sumpfes hinter sich hatte. Er hatte zwar nach wie vor Schüttelfrost, doch er achtete nicht mehr darauf.
    Der See war nach einem der ersten Gouverneure North Carolinas benannt. Eine Jagdgesellschaft, darunter auch Gouverneur William Drummond, hatte sich in den Sumpf begeben. Eine Woche später war Drummond, der einzige Überlebende, halb tot vor Hunger und Fieber wieder aus dem Sumpf gestolpert, hatte aber die Neuigkeit von der Existenz eines großen, unvermuteten Sees inmitten des Great Dismal mitgebracht.
    William holte tief Luft und erschauerte. Nun, bis jetzt war er noch nicht gefressen worden. Und er hatte den See erreicht. In welcher Richtung lag Dismal

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