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Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Fasern und Hautfetzen durchtrennen, die den Finger festhielten, diesen dann anheben – und der baumelnde Mittelhandknochen sah überraschend weiß und nackt aus, wie ein Rattenschwanz.
    Es war saubere, ordentliche Arbeit, doch für einen Moment überkam mich ein Gefühl der Traurigkeit, als ich das zerstörte Stück Fleisch beiseitelegte. Mir stand auf einmal vor Augen, wie Jamie den kleinen Jemmy kurz nach der Geburt hielt und mit einem Ausdruck des Glücks und des Staunens seine winzigen Finger und Zehen zählte. Auch sein Vater hatte einmal seine Finger gezählt.
    »Es ist ja gut«, flüsterte ich, genauso an mich wie an ihn gerichtet. »Ist ja gut. Er wird heilen.«
    Der Rest ging schnell. Die Zange, um die kleinen Knochensplitter herauszuziehen. Ich säuberte die Wunde, so gut ich konnte, und entfernte Gras und Schmutzpartikel und sogar ein winziges Stoffrestchen, das durch den Hieb in die Wunde geraten war. Dann galt es nur noch, die gezackten Wundränder zu versäubern, ein kleines, überstehendes Hautstück abzuschneiden und die Einschnitte zu vernähen. Eine Paste aus Knoblauch und Silbereichenblättern, mit Alkohol vermischt und dick über die Hand verteilt, eine Kompresse aus Watte und Gaze und ein fester Verband aus Leinen und Klebpflastern, um die Schwellung zu vermindern und den Mittelfinger und den kleinen Finger dazu zu bringen, dass sie sich dicht aneinanderlegten.
    Die Sonne war fast aufgegangen; die Laterne über mir kam mir trübe und schwach vor. Mir brannten die Augen von der Arbeit und vom Rauch der Feuer. Draußen erklangen Stimmen; die Stimmen der Offiziere, die zwischen den Männern umhergingen und sie weckten, um dem neuen Tag entgegenzublicken – und dem Feind?
    Ich legte Jamies Hand neben seinem Gesicht auf die Liege. Er war bleich, jedoch nicht übermäßig, und seine Lippen waren blassrosa gefärbt, nicht blau. Ich ließ die Instrumente in einen Eimer mit Alkohol und Wasser fallen, denn plötzlich war ich zu müde, um sie ordentlich zu säubern. Ich wickelte den abgetrennten Finger in eine Leinenbandage, da ich mir nicht ganz sicher war, was ich damit tun sollte, und ließ ihn auf dem Tisch liegen.

    »Alle Mann aufsteh’n! Alle Mann aufsteh’n!«, erklang draußen der rhythmische Ruf des Sergeanten, der von Seiten der widerwilligen Schläfer durch schlagfertige Abwandlungen und rüde Antworten unterbrochen wurde.
    Ich machte mir nicht die Mühe, mich auszuziehen; wenn es heute Kampfhandlungen gab, würde man mich sowieso bald wieder wecken. Jamie hingegen nicht. Ich brauchte mir keine Sorgen zu machen; was auch immer geschah, er würde heute nicht kämpfen.
    Ich zog mir die Nadeln aus dem Haar und schüttelte es mir über die Schultern, froh, es lose hängen lassen zu können. Dann legte ich mich neben ihm auf die Liege und schmiegte mich an ihn. Er lag auf dem Bauch; ich konnte seine kleinen, muskulösen Pobacken sehen, ebenmäßige Rundungen unter der Decke, die auf ihm lag. Spontan legte ich ihm die Hand auf den Allerwertesten und drückte zu.
    »Schlaf schön«, sagte ich und ließ mich von der Müdigkeit hinwegtragen.

63
    FÜR IMMER GETRENNT VON FREUNDEN UND FAMILIE
    L eutnant Ellesmere hatte endlich einen Rebellen getötet. Mehrere, dachte er, obwohl er es nicht genau sagen konnte; manche der Männer, die er angeschossen hatte, waren zwar gefallen, doch es war ja möglich, dass sie nur verwundet waren. Was den Mann betraf, der mit einem Trupp Rebellen eine der britischen Kanonen angegriffen hatte, war er sich jedoch sicher. Er hatte diesen Mann mit einem Kavalleriesäbel halb entzweigehackt – und sein Schwertarm war hinterher tagelang merkwürdig taub gewesen, sodass er die linke Hand alle paar Minuten angespannt hatte, um sicherzugehen, dass er sie noch benutzen konnte.
    Die Taubheit beschränkte sich nicht nur auf seinen Arm.
    Die Tage, die auf die Schlacht folgten, verbrachte das britische Lager mit der geordneten Bergung der Verletzten, der Bestattung der Toten und damit, seine Kräfte neu zu sammeln. Zumindest das, was noch zu sammeln war. Desertion lag in der Luft; der Strom der Männer, die sich verstohlen davonmachten, riss nicht ab – an einem Tag wurde eine ganze Kompanie von Braunschweigern fahnenflüchtig.
    Er beaufsichtigte mehr als eine Beerdigung und sah mit gefasster Miene zu, wie Männer – und Jungen -, die er kannte, der Erde anvertraut wurden. Während der ersten paar Tage hatten sie die Toten nicht tief genug begraben und waren gezwungen gewesen, die

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