Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung
leise und hielt mir die Hand hin.
»Geblendet wie von einem Schneefeld in der Sonne?«, fragte ich skeptisch. »Oder wie vom Anblick einer Gorgo?«
»Beim Anblick einer Gorgo wird man zu Stein, nicht blind«, unterrichtete er mich. »Obwohl -«, er betastete sich versuchsweise mit dem Zeigefinger, »es durchaus noch passieren kann, dass ich zu Stein werde. Kommst du jetzt um Himmels willen zu mir?«
Ich kam.
ICH SCHLIEF IN JAMIES WÄRME EIN UND ERWACHTE EINIGE ZEIT SPÄTER wohlig in sein Plaid gehüllt. Ich räkelte mich und alarmierte damit ein Eichhörnchen über mir, das auf einen Ast hinausrannte, um einen besseren Überblick zu haben. Offenbar war es nicht mit dem zufrieden, was es sah, denn es fing an zu schimpfen und zu plappern.
»Ach, gib Ruhe«, sagte ich gähnend und setzte mich hin. Das Eichhörnchen legte Protest gegen diese Bewegung ein und wurde hysterisch, was ich jedoch ignorierte. Zu meiner Überraschung war Jamie fort.
Ich dachte, er wäre vielleicht einfach nur in den Wald gegangen, um sich zu erleichtern, doch ein rascher Blick in alle Richtungen brachte nichts zutage, und
auch als ich mich auf die Beine kämpfte, das Plaid an mich geklammert, sah ich keine Spur von ihm.
Ich hatte nichts gehört: Wenn jemand gekommen wäre, wäre ich doch gewiss aufgewacht – oder Jamie hätte mich geweckt. Ich spitzte sorgfältig die Ohren, doch das Eichhörnchen war wieder zum Alltag übergegangen, und ich hörte nichts als die normalen Geräusche eines Waldes, in dem sich der Frühling regt: das Murmeln und Rauschen des Windes im frischen Grün der Bäume, unterbrochen vom gelegentlichen Knacken eines fallenden Astes, oder das Klappern der fallenden Kiefernzapfen aus dem letzten Jahr; den fernen Ruf eines Eichelhähers, das Gezwitscher eines Schwarms von Karolinakleibern auf Futtersuche, das Rascheln eines hungrigen Maulwurfs im Laub des Winters.
Der Eichelhäher lärmte nach wie vor; ein zweiter hatte jetzt mit schrillen Alarmrufen eingestimmt. Vielleicht war das die Richtung, in die Jamie gegangen war.
Ich wickelte mich aus dem Plaid und zog mir das Hemd und die Sandalen an. Es ging jetzt auf den Abend zu; wir – oder zumindest ich – hatten lange geschlafen. In der Sonne war es noch warm, aber im Schatten unter den Bäumen war es kalt, und ich legte mir mein Schultertuch um und nahm Jamies Plaid als Bündel mit – er würde sicher froh sein, es zu bekommen.
Ich folgte dem Ruf der Eichelhäher bergauf, fort von der Lichtung. An der weißen Quelle nistete ein Pärchen; ich hatte es erst vor zwei Tagen beim Nestbau gesehen.
Es war nicht weit, doch diese Quelle fühlte sich immer so an, als läge sie fernab von allem. Sie befand sich in der Mitte eines kleinen Hains aus Eschen und Hemlocktannen und war an der Ostseite durch einen mit Flechten bewachsenen Felsvorsprung geschützt. Wasser hat stets etwas Lebendiges an sich, und eine Gebirgsquelle, die rein aus dem Herzen der Erde entspringt, strahlt ein ganz besonderes Gefühl stiller Freude aus. Bei der weißen Quelle, die ihren Namen von dem großen hellen Felsbrocken hatte, der das Wasserbecken bewachte, war es jedoch noch mehr – sie schien von unberührtem Frieden erfüllt zu sein.
Je näher ich kam, desto sicherer war ich mir, dass ich Jamie dort finden würde.
»Es gibt dort etwas, das zuhört«, hatte er einmal wie beiläufig zu Brianna gesagt. »Es gibt solche Wasserbecken auch in den Highlands; man nennt sie Heiligenquellen – die Leute sagen, der Heilige lebt dort und hört ihren Gebeten zu.«
»Und was für ein Heiliger lebt in der weißen Quelle?«, hatte sie zynisch gefragt. »Sankt Killian?«
»Warum?«
»Der Schutzheilige der Gicht- und Rheumakranken und der Schönfärber.«
Er hatte gelacht und den Kopf geschüttelt.
»Was auch immer in diesem Wasser lebt, ist älter als die Vorstellung, dass es Heilige gibt«, versicherte er ihr. »Aber es hört zu.«
Ich ging mit leisen Schritten auf die Quelle zu. Die Eichelhäher waren verstummt.
Er war dort. Er saß auf einem Felsen am Wasser und trug nur sein Hemd. Ich begriff, warum die Eichelhäher wieder zum Tagesgeschäft übergegangen waren – er war so reglos wie der weiße Felsen selbst, und er hatte die Augen geschlossen. Seine Hände lagen offen auf seinen Knien, die Finger leicht gekrümmt.
Ich blieb abrupt stehen, als ich ihn sah. Ich hatte ihn schon einmal hier beten gesehen – als er Dougal MacKenzie um Beistand im Kampf gebeten hatte. Ich wusste nicht, mit wem
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