Highlander meiner Sehnsucht
sie durchgemacht hatte, ging es ihr erstaunlich gut – bis sie anfing, die Treppe hinunterzugehen. Ein heftiges Schwindelgefühl erfasste sie, und sie musste sich an der steinernen Wand festhalten, um nicht zu taumeln. Nachdem der kurze Anflug vorüber war,
schritt sie entsprechend gewarnt und ein wenig vorsichtiger die Treppe hinunter.
Sie konzentrierte sich so sehr auf die schmalen Steinstufen, dass ihr erst, als sie den großen Saal erreichte, auffiel, wie unnatürlich still es war. Die Geräusche lebhafter Geschäftigkeit, an die sie sich in den letzten paar Wochen gewöhnt hatte, waren verstummt. Sie begegnete ein paar Dienstmägden, doch diese wandten sich ab und wichen ihrem Blick aus.
Schon bald wurde klar, warum. Als sie aus dem Wohnturm trat und auf den Burghof hinunterblickte, sah sie, dass sich dort allem Anschein nach ausnahmslos alle Männer der Burg vor ihrem Chief versammelt hatten. Obwohl sie nur noch das Ende seiner Ansprache hören konnte, reichte es aus, um zu verstehen, was geschah. Die Männer wurden dafür getadelt und bestraft, dass sie ihre Flucht nicht verhindert hatten. Die Worte »Pflichtverletzung«, »möglicher Angriff« und »Kerkerhaft« ließen daran keinen Zweifel.
Ein nicht unerhebliches Gefühl der Schuld durchzuckte sie. Kein Wunder, dass ihr niemand in die Augen sehen wollte. Wegen ihr wurden diese Männer bestraft. Sie hatte in den vergangenen Wochen genug dazugelernt, um zu verstehen, dass es die Höchststrafe für einen Highlander war, vor seinem Chief beschämt zu werden.
Aber der Kerker …
Sie erbebte. Ihr Fluchtversuch zog weit größere Konsequenzen nach sich, als ihr bewusst gewesen war.
Sie hatte noch nie gesehen, wie Lachlan seine Männer maßregelte, und es war mehr als nur ein wenig furchteinflößend. Sein Gesichtsausdruck war hart und unerbittlich, in seiner Stimme lag absolute Autorität. Für seine Leute war er Herr, Meister, Richter und Geschworener, alles in einem. Ihre Mutter hatte recht gehabt. Ein Highland-Chief war wie der König seines eigenen kleinen Lehensguts. Solch absolute
Macht war beunruhigend und ließ Flora erkennen, wie verwundbar sie doch war. Wenn er es gewollt hätte, hätte er alles mit ihr machen können – sie dazu zwingen, ihn zu heiraten, sie schänden, sie einsperren –, niemand hätte auch nur einen Finger gerührt. Es bedurfte eines starken Mannes, über solche Macht zu verfügen, zu wissen, wann man sie edel und ehrenhaft einsetzte.
Sie hatte nicht gedacht, dass er sie oben auf der Außentreppe bemerkt hatte, doch kaum zerstreuten sich die Männer, durchbohrte er sie mit seinem Blick. Ein heißer, prickelnder Schauer durchlief sie, dann stürzten eine Sturmflut mächtiger Gefühle und die Erinnerung an alles, was in jener Nacht geschehen war, mit voller Wucht auf sie ein. Sie konnte sich an alles erinnern.
Wie sie ihn am Strand erblickt hatte. Die Welle der Hoffnung, die ihr die Kraft verliehen hatte weiterzukämpfen, während das Wasser unablässig ins Boot drang. Wie er auf sie zuschwamm und mit kraftvollen Zügen die starke Strömung durchpflügte. Die Erkenntnis, wie hart er kämpfen musste, um sie noch rechtzeitig zu erreichen. Seine Stimme zu hören. Den gleichmäßigen, beruhigenden Klang, der ihr die Panik genommen hatte, als das Boot sich schließlich den Wellen ergab und versuchte, Flora mit sich zu reißen. Der tröstliche Gedanke, dass er da war, als das Wasser sie nach unten zog. Wie sie sich an das Bild seines Gesichts geklammert hatte, bevor Finsternis sie ereilte.
Sie erinnerte sich an alles.
Die rohe Heftigkeit seines Kusses, nachdem er sie dem nassen Tod entrissen hatte. Wie es sich angefühlt hatte, in seinen Armen zu liegen. So sicher. So beschützt. So richtig.
Und dann später, als sie erwachte und ihn neben sich fand. Die sanfte Wärme, die Balsam für ihre Seele war. Wie sie ihn berührt hatte. Das sinnliche Gefühl seines nackten Körpers, der sich an sie schmiegte. Seine Hände auf ihrer Haut. Ihre
Brüste, die sich an seinen Brustkorb pressten. Seine kräftigen, muskulösen Beine, die mit den ihren verschlungen waren.
Er ist ein sehr leidenschaftlicher Mann. Seonaids Worte klangen ihr höhnisch in den Ohren. Ja. Sie hatte den Beweis dafür eng an sich gefühlt. Er wollte sie. Doch den Worten seiner Geliebten nach zu urteilen, hatte er Seonaid in letzter Zeit nicht aufgesucht. Die Erleichterung, die sie bei dieser Erkenntnis verspürte, war sehr aufschlussreich. Doch wie lange würde er
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