Hilfe, ich habe Urlaub
Sie vorher nach oben, um sicher zu sein, daß da nichts drin sitzt.«
Wenn mir jemand eine Woche zuvor gesagt hätte, daß ich einen Mann, den ich erst seit zwölf Stunden kannte, bitten würde, mich zur Toilette zu begleiten, hätte ich gesagt, der ist verrückt.
Die Toiletten in den Vereinigten Staaten sind allerdings auch nicht gerade ein Vorbild für den Rest der Welt. Auf den meisten Toiletten im Ausland stehen die Buchstaben WC -
Wasserklosett. Das läßt sich ja noch kapieren. Aber stellen Sie sich einen Ausländer vor, der in die USA reist und die kleinen Symbole zu entziffern versucht, die wir auf den Türen von Toiletten anbringen. Ich selbst habe schon Schwierigkeiten damit. Es gibt da Señores - Señoras, Messieurs - Mesdames, Cowboys - Cowgirls, Häuptlinge und Squaws, Tarzan und Jane.
Manche Schilder sind noch phantasievoller. Es gibt auch Susi und Strolch, Samson und Delilah, Romeo und Julia, Scarlett und Rhett.
Seit mein Mann mich, als ich einmal meine Brille vergessen hatte, dabei ertappte, wie ich die Nase gegen eine Toilettentür drückte, die Umrisse einer kleinen Figur in einem Reifrock zu entziffern versuchte und mich schließlich erkundigte, ob das ein Rock oder doch ein Männchen mit einem Cape sein sollte, inspiziert er den gewissen Ort immer zuerst.
Ich hasse es, wenn Toilettenschilder nach Tieren benannt sind. In Biologie war ich schon immer eine Niete. Mit Hengsten und Stuten, Hühnern und Hähnen komme ich ja noch ganz gut klar. Aber eines Abends wußte ich den Unterschied zwischen einem Widder und einem Schaf nicht mehr. Das Restaurant können wir nie wieder betreten.
Die Benutzung der meisten amerikanischen Toiletten ist wenigstens kostenlos. Im Ausland ist das oft nicht so.
In Istanbul wird jede Toilette von einem kleinen alten Mann bewacht, der an einem kleinen Tisch sitzt und mindestens einhundert türkische Pfund für die Benutzung eines abgeriegelten Lochs verlangt, wo es kein Papier, keine Handtücher und keine Seife gibt und man nicht tief durchatmen sollte.
Ich habe neulich in der Zeitung gelesen, daß die Sowjets mit dem Kapitalismus so weit gegangen sind, daß sie unweit vom Roten Platz eine erste gebührenpflichtige Toilette eingerichtet haben. Doch mit diesen Geschäften ist kein Geld zu verdienen. So grausam oder dumm sind Kapitalisten nicht. Zeigen Sie mir eine Münztoilette in den Vereinigten Staaten, und ich zeige Ihnen, wie eine Frau in Escadahosen auf dem Bauch unter der Tür durchrobbt, um keine zehn Cents zahlen zu müssen.
Wir hatten neulich Besuch von einem Ehepaar. Sie fuhren das erste Mal nach Europa. Mein Mann lächelte und sagte: »Was ihr für ein Glück habt! Erma führt Tagebuch. Vielleicht kann Sie euch etwas über Sehenswürdigkeiten erzählen.«
»Wir kommen in London an«, zwitscherte die Frau.
Ich blätterte meine Notizen durch. »Dort heißen sie >loos<, meine Liebe. Haben Kettenzug.
Nimm dein eigenes Papier mit. Kommt ihr auch durch Deutschland? Die Toilette an der Lorelei war ganz in Ordnung. Handtuchrolle war ziemlich schmutzig. In dem Kaufhaus in Berlin dagegen …«
»Was hast du denn über den Eiffelturm?« fragte die Bekannte und rückte näher.
»In der Eiffelturmtoilette gab es Seife und Klopapier, aber die Schlangen waren so lang, daß man davon Nierenversagen hätte kriegen können. In der Schweiz waren die Spiegel blitzblank, und alle Schlösser an den Türen funktionierten.«
»Stimmt es, was man über Italien hört?«
»Wort für Wort«, sagte ich. »Kein Papier, Graffiti…«
Die Männer starrten uns verständnislos an. Für sie sind Toiletten ein Ort, wo man schnell rein-und schnell wieder rausgeht. Für Frauen bedeutet es, einen halben Tag anstehen und mit lästigen Kleidern kämpfen. Komisch, aber Männer fragen sich nie, warum Frauen bei
öffentlichen Veranstaltungen nie die Ouvertüre oder die Nationalhymne mitkriegen, nie sehen, wie sich der Vorhang zum zweiten Akt hebt, oder auch nur in den Genuß kommen, sich ihren Platz zu suchen, solange das Licht noch an ist.
Was glauben die denn, was wir da drin machen? Die Zeit totschlagen?
Doch zurück nach Istanbul. Wir verbrachten dort eine Woche. Nach unserer Rückkehr
beeindruckte mein Mann seine Freunde mit Erzählungen von seiner Bootsfahrt über den
Bosporus, wo die Stadt zur Hälfte in Asien, zur Hälfte in Europa liegt, seinem Besuch in der Blauen Moschee und im Gewürzbasar.
Ich spreche immer noch von dem üppigen weißen Marmorpalast von Dolmabahce. Hätte
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