Hilflos in deinen Armen
nach küssen zumute.
Und was ihre eigenen Empfindungen anbelangte … Anziehend war der Ritter allemal, und ihr selbst war das Blut ziemlich in Wallung geraten bei seinem Tun. Mit ihr waren einfach die Pferde durchgegangen. Sie hatte den Kopf verloren.
Und wenn ihm das auch passiert wäre, was dann?
Ach, lächerlich, solche Anwandlungen. Wenn’s einen Augenblick gegenseitigen Begehrens gegeben hatte, dann allerhöchstens flüchtig, hervorgerufen in der Hitze des Gefechts sozusagen. Das würde sich nicht wiederholen.
Ein schriller Schrei drang an ihr Ohr. Eine Frau!
Erschrocken blieb Gillian stehen, und als sie sich umdrehte, sah sie ihre Zofe, die neben dem Brunnen in einer Pfütze stand, neben sich den zerborstenen Eimer. Bestürzt wies die Magd mit ausgestrecktem Arm zur Torhalle.
Gillian folgte ihrem Blick. Vom Tor her kam Sir Bayard angestapft, auf den Armen den Knappen, leblos, wie tot. Oder schwer verwundet.
„Gütiger Himmel!“, entfuhr es ihr entsetzt, und schon eilte sie den beiden entgegen. „Was ist denn geschehen?“
Der Junge hob den Kopf, guckte aber eher verlegen denn schmerzverzerrt. „Ach, nicht der Rede wert, wirklich!“
Tot war er jedenfalls nicht. Auch nicht schwer verwundet.
„Er ist vom Pferd gefallen“, erklärte Bayard. „War benommen und wusste nicht, wo er war. Hat sich vielleicht den Kopf gestoßen.“
„Ach was!“, rief der Knappe und begann zu zappeln. „Wirklich, ich hab nichts! Ein bisschen schwindlig war mir, aber jetzt geht’s wieder.“
Doch sein Zappeln war vergebens, denn offensichtlich, so Gillians Eindruck, war Ritter Bayard nicht geneigt, ihn auf die Füße zu stellen. Das war auch besser so, denn wenn ihm schwindlig gewesen war, empfahl es sich, dass er sich so wenig wie möglich bewegte. Erst musste sie ihn untersuchen.
„Er kann mein Bett haben“, sagte Sir Bayard mit heiserer, tiefer Stimme, was ihr verriet, dass er sich doch ernsthaft um seinen Knappen sorgte und ihn deshalb nicht herunterließ.
„Dann bringt ihn in Eure Kammer“, befahl sie. „Ich komme sofort.“
Sie rief Dena herbei, die immer noch wie vom Donner gerührt beim Brunnen stand, jetzt allerdings nicht mehr ganz so blass war. „Lauf in die Küche! Seltha soll heißes Wasser bringen. Einen Eimer kaltes auch! Dann holt sauberes Linnen und tragt alles in die Kammer von Sir Bayard. Mach schon!“
Die Zofe zuckte zusammen, als wäre sie eingedöst und schlagartig aufgewacht. Dann aber tat sie, wie ihr geheißen, und eilte von dannen.
7. KAPITEL
Während Lady Gillian den Knappen verarztete, blieb Bayard draußen vor der Gästekammer. Solange nicht einwandfrei feststand, ob der Junge ernsthaften Schaden davongetragen hatte, wollte er sich nicht im Burgsaal niederlassen. Er stellte sich darauf ein, so lange zu warten, wie es notwendig war. Dank des väterlichen Drills konnte er stundenlang ausharren, ohne einen Muskel zu rühren.
Endlich ging die Tür auf, doch es war nicht Gillian, die heraustrat. Es war die in Tränen aufgelöste Dena. Namenloses Entsetzen erfasste ihn, sodass sich ihm der Magen zusammenkrampfte.
„Wie geht es ihm?“, fragte er die Magd, als sie die Tür hinter sich schloss.
Sie antwortete zwar, war aber wegen des ständigen Schluchzens und Schniefens nur schwer zu verstehen. „Er … er … wird bald … wieder putzmunter … sagt Mylady. Ich soll … ihm etwas … zu trinken … holen … und Robb … Der soll bei … ihm bleiben.“
Grenzenlose Erleichterung überkam Bayard. Lady Gillian war ein verständiger Mensch; auf ihr Urteil über Frederics Gesundheitszustand konnte man sich also bestimmt verlassen. Klugerweise ließ sie zudem einen seiner eigenen Männer rufen, einen zuverlässigen Burschen, der sich strikt an ihre Anweisung halten würde, egal, was Frederic ihm vorjammern oder von ihm fordern mochte.
Plötzlich tauchte Dunstan, der Kastellan, auf der Treppe auf. Der Kerl hatte Bayard gerade noch gefehlt!
„Ich hörte, Euer Knappe hatte ein Missgeschick?“, fragte der Vogt in einem derart gönnerhaften Ton, dass Bayard regelrecht Zahnschmerzen bekam. „Seid unbesorgt, er wird hervorragend versorgt. Lady Gillian versteht sich auf die Heilkunde, und zwar so gut wie ein Medikus. Als mein Vater noch auf Averette Verwalter war, hat er sie in den Heilkünsten unterwiesen.“
„Da bin ich aber froh“, knurrte Bayard – was sogar stimmte. Nur tat dieser Federfuchser gerade so, als habe er ihr die heilerischen Fähigkeiten höchstpersönlich
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