Hilflos in deinen Armen
faltete er rasch die Decke zusammen, klopfte sich, so gut es ging, die Spreu von den Kleidern und kletterte vom Heuboden herunter.
Während er über den Burghof ging, warf er einen Blick auf einige Frauen, die bereits am Brunnen Wasser holten. Etliche lächelten ihm zu, aber keine einzige gefiel ihm. Es war, als wäre er verhext, als zöge ihn etwas unwiderstehlich hin zu der einzigen Frau in der ganzen Burg, die er nicht begehren durfte.
Vermutlich war Lady Gillian bereits im Rittersaal.
Dieser Gedanke, so redete er sich ein, hatte nichts mit seiner Entscheidung zu tun, zuerst nach seinem Knappen zu sehen. Er war für Frederic verantwortlich. Auch wenn ihm der Magen knurrte: Der Junge war wichtiger als der Hunger.
Zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte er die Treppe hinauf zu seiner Kammer, stieß die Tür auf und – bekam einen der größten Schrecken seines Lebens. Wie vom Donner gerührt verharrte er auf der Schwelle, derweil sein Knappe mit einem deftigen Fluch splitternackt aus dem Bett sprang und sich hastig mit der Überdecke verhüllte. Gleichzeitig raffte sich die Magd Dena, schamrot im Gesicht, das Laken über die bloße Brust.
Bestürzt schlug Bayard die Tür hinter sich zu. „Wo steckt denn Robb, zum Henker?“
Dumme Frage!
„Den hat Dena abgelöst“, stammelte Frederic, sichtlich um Haltung bemüht, während er die Decke um seine schmalen Hüften raffte.
„Ach, Ablösung heißt das?“, polterte Bayard mit einem erzürnten Blick auf die Magd, die wohl am liebsten im Boden versunken wäre und nun in Tränen ausbrach.
„Verzeiht, Mylord, aber was Robb kann, das kann ich doch auch! Ich hab doch genau das getan, was er machen sollte! Bei jedem Wachwechsel habe ich Freddy geweckt …“
Freddy? „Ach, wirklich?“
„Ich … ich liebe ihn doch, Mylord!“, schluchzte sie. „Und ich wollte doch nur gucken, ob er auch alles hat! Ob er auch gut versorgt ist.“
Sie konnte Frederics Gesicht nicht sehen. Bayard hingegen schon. Der Junge wirkte ungeduldig und gereizt, zwar wütend darüber, dass man ihn mit der Kleinen in flagranti erwischt hatte, doch keineswegs zerknirscht. Auch trat er nicht für das Mädchen ein – für Bayard ein klarer Hinweis darauf, dass er sich nichts aus Dena machte, dass ihm ihr Schicksal egal war. Er hatte die Kleine ausgenutzt, um seine Gelüste zu befriedigen. Mehr bedeutete sie ihm nicht. Dennoch war sie in dem Glauben, er liebe sie.
Armes, einfältiges Mädchen! Selbst in seinen schlimmsten, selbstsüchtigsten Jugendtagen war Bayard nicht derart leichtsinnig mit der weiblichen Tugendhaftigkeit umgesprungen, auch dann nicht, wenn es sich bei der Betroffenen um eine einfache Dienstmagd handelte. „Zieh dich an, Dena, und dann lass uns allein!“
Ihr Blick zuckte zwischen den beiden Männern hin und her. Sie zupfte sich das Laken noch etwas höher. „Freddy?“
„Du gehst jetzt wohl besser“, sagte Frederic und fertigte die Kleine dermaßen kalt und überheblich ab, dass es Bayard in der Seele wehtat. Der Teufel sollte ihn holen, den Bengel! Ein armes Mädchen so unverschämt auszunutzen! Bayard machte sich die bittersten Vorwürfe, weil er dem Jungen nicht eingeschärft hatte, die Frauen aus dem Gesinde in Ruhe zu lassen. Schließlich waren sie beide in diesem Haus zu Gast! Da hatte er seine Aufsichtspflicht als Ritter vernachlässigt; das musste unbedingt aus der Welt geschafft werden.
Schluchzend schickte die Kleine sich an, aus dem Bett zu krabbeln. Plötzlich hielt sie inne und blickte Bayard unsicher an.
Obwohl sie nichts zu bieten hatte, das für ihn neu gewesen wäre, drehte Bayard sich taktvoll um und gewährte ihr einen letzten Rest von Würde. Während er mit verschränkten Armen dastand, konnte er hören, wie das Mädchen sich ankleidete und wie auch sein Knappe seine Kleider anzog.
„Verzeih, verzeih mir“, flüsterte das weinende Mädchen wieder und wieder Frederic zu. „Ich liebe dich.“
Bayards Knappe sagte kein Wort.
„Liebst du mich denn nicht?“, fragte sie flehend und mit schmerzerfüllter Stimme.
„Vielleicht hab ich’s mal gesagt“, brummte der Junge. „In der Hitze des Gefechtes.“
Um seinen Spaß zu haben. Wie so viele Männer vor ihm.
Bayard wusste noch, wie eine andere Frau einmal unter Tränen genau dasselbe gestammelt hatte. Als sie von seinem Vater mit Peitschenhieben aus der Burg getrieben wurde. „Du hast gesagt, du liebst mich!“, hatte die Frau damals gejammert, die dünnen Arme um den Leib geschlungen,
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