Hilflos in deinen Armen
abhängt. Adelaide ist die stärkste Frau, die ich kenne. Wäre ich nur halb so mutig und stark und gut wie sie, dann wäre ich hochzufrieden.“
„Das seid Ihr doch“, sagte er leise. „Außerdem weiß ich nicht, ob Eure Schwester das Anwesen auch nur halb so gut führen könnte wie Ihr.“
Das war das schönste, aufregendste Kompliment, das man ihr je gemacht hatte. Vorübergehend war sie so überwältigt, dass sie keinen Ton hervorbrachte. Bayard stand auf; im flackernden Schein des Freudenfeuers sah sie seine Narbe. „Vermutlich ist Euch auch zu Ohren gekommen, wie man mich sonst noch nennt. Wieder so eine Anspielung an meine angebliche Zigeunerherkunft.“
„Ja“, wisperte sie.
„Ich bin beileibe kein Kostverächter, Gillian. Eins kann ich Euch allerdings versichern: Selbst zu meinen schlimmsten Zeiten bin ich nicht durch die Lande gezogen und habe sämtliche weibliche Wesen verführt, die mir über den Weg liefen. So trieb es viel mehr mein verblichener, aber unbeweinter Vater. Armand und ich, wir sahen nur zu deutlich das Elend, das solch ein Verhalten hinterlässt. Deshalb sind wir bewusst nicht in Vaters selbstsüchtigen Fußstapfen getreten.“
Gillian stand nun ebenfalls auf und musterte ihn eingehend, als könne sie die Wahrheit in seinen Augen entdecken. „Dann hatte Ihr also auch kein Techtelmechtel mit der Frau des Herzogs, der Euch in der Normandie gefangen hielt? Da habt Ihr doch auf Eure Auslöse gewartet, während Euer Bruder im Verlies schmachtete!“
„Nein. Die Gemahlin des Herzogs war zwar jung und einsam und hatte auch wohl ein Auge auf mich geworfen, aber weiter lief nichts zwischen uns.“ Er fuhr sich erregt mit der Hand durchs Haar. „Wenn ich’s drauf angelegt hätte, wäre ich ihr Geliebter geworden. Ich hab’s gelassen. Ich war ja nicht nur Gefangener, sondern gleichzeitig Gast des Hauses.
Und was die Kapitulation der von mir befehligten Burg betrifft: Ich erhielt eine Nachricht, offenbar vom König, mit dem Befehl, die Waffen zu strecken. Die Feste seiden Verlust von tapferen Männern nicht wert. Damals fragte ich nicht nach der Herkunft des Befehls. Nach meiner Lesart trug das Schreiben das königliche Siegel und war in der Handschrift des Königs unterzeichnet, für meine Begriffe jedenfalls. Bei meiner Rückkehr an den Hof bestritt seine Hoheit allerdings, je eine solche Order gegeben zu haben. Was leider nicht heißt, dass er’s nicht doch getan hat. Vielleicht war’s ein Versuch, einen Fehler zu vertuschen oder eine weitere Katastrophe zu entschuldigen. Diejenigen meiner Getreuen, denen nach der Kapitulation die Flucht gelang, wurden unverzüglich in die Leibwache des Königs eingegliedert. Da habe ich keine Zweifel.“
„Trotzdem unterstützt Ihr ihn.“
„Weil ich meinen Eid auf ihn geleistet habe, Mylady. Die Ritterehre gebietet, dass ich mich daran halte. Zu meinem Bedauern schwor ich ihn, ehe mir klar wurde, was für ein Mensch John ist. Ehe ich begriff, wie tief er sinken würde.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich war jung und wollte unbedingt zum Ritter geschlagen werden. Gott steh mir bei, aber vermutlich hätte ich mich sogar mit dem Teufel verbündet, wenn er mir dafür die Ritterwürde in Aussicht gestellt hätte.“
Er packte Gillian an beiden Schultern und sprach leidenschaftlich und überzeugend auf sie ein. „Aber Ihr müsst mir glauben, dass ich kein Lüstling bin! Dass ich nur auf Befehl kapitulierte, dass ich nicht wusste, wie sehr Armand litt. Ich hätte nur wissen müssen – Armand und der Herrgott mögen mir vergeben! –, dass Johns Gegner sich nicht sehr ritterlich verhalten würden, denn bei der Belagerung von Corfe Castle hatte der König die gesamte Besatzung verhungern lassen. Da hätte ich nicht davon ausgehen dürfen, dass alle sich so verhalten wie der Duc d’Ormonde.“
Beruhigend legte sie ihm die Hand auf den Arm, ganz leicht nur, um ihm ein wenig Trost zu spenden. Doch als sie das tat, da wurde ihr plötzlich sehnend bewusst, wie seine Haut sich unter den Fingerspitzen anfühlte, wie nah er ihr war, wie männlich der Duft von Leder und Wolle, der ihm anhaftete. Und seine Lippen, den ihren so nah!
Aber er war der Schwager von Adelaide, eigens gesandt, um Averette zu beschützen. Nicht, um der Burgherrin den Hof zu machen. Schon gar nicht, um sie zu küssen. Zu heiraten. Zu lieben.
Er zog sie an sich. Sie hätte sich wehren müssen … sich auflehnen … ihn zurückweisen … fortlaufen …
Sie konnte nicht. Wollte
Weitere Kostenlose Bücher