Hilflos in deinen Armen
war jetzt völlig außer sich. „Spielst dich hier auf wie seine Hoheit höchstpersönlich, bedienst dich, wie’s dir passt, und glaubst, ich gucke seelenruhig zu?“
„Dunstan!“, flehte Gillian eindringlich. „Es tut mir leid, dass Ihr …“
„Leid?“, höhnte er. „Gar nichts tut dir leid! Ich kenne dich von Kindesbeinen an und durchschaue dich viel zu gut! Mir machst du nichts vor! Vorhin, als ihr euch in den Armen lagt, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Du bist scharf auf ihn – wie du mich nie gewollt hast!“
„Mag sein, dass ich Eure Liebe nicht erwidern kann“, betonte sie besänftigend. „Aber Ihr seid mir so lieb wie ein Bruder!“
„Bruder?“, giftete er gehässig und mit hochrotem Kopf. „Der Kerl da, der ist doch eher dein Bruder als ich!“
Ihr fehlten die Worte, denn im Grunde hatte er recht. Jedenfalls nach den Bestimmungen der Kirche. „Ab zur Burg, aber dalli!“, befahl Bayard nochmals, wobei er diesmal drohend einen Schritt nach vorn tat.
„Ja, Dunstan, geht zur Burg zurück“, bat auch Gillian. „Wir reden später darüber. Wenn Ihr Euch …“
„Was? Wieder beruhigt habt?“ Der Burgvogt wich kopfschüttelnd zurück. „Meinst du etwa, ich bin so dämlich und kaufe dir deine Lügenmärchen ab? Deine jämmerlichen Ausreden und Erklärungen? Ihr widert mich an! Alle beide! Und ich, ich verschwende meine besten Jahre, hoffe …“ Er wedelte drohend mit dem Finger. „Das schreibe ich Adelaide. Die soll erfahren, was für ein Schurke ihr Schwager ist! Und ihre Schwester, die ist nicht besser als eine Dirne!“ Mit diesen Worten drehte er sich um und entfernte sich schwankend in Richtung Burg.
„Dunstan!“, rief Gillian. „Wartet!“ Sie wollte ihm schon nach, doch Bayard hielt sie zurück.
„Lasst ihn! Der ist jetzt zu durcheinander. Dem ist es völlig egal, wer seine Vorwürfe hört. Einerlei, ob sie stimmen oder nicht.“
Sie schüttelte die Hand ab, von der sie kurz zuvor noch in einen Taumel der Sinne versetzt worden war. „Was sollen wir denn tun?“
„Schreibt doch ebenfalls einen Brief und erklärt Eurer Schwester den Vorfall.“
„Und was soll vorgefallen sein?“, herrschte sie ihn an, den Blick forschend auf seine undurchdringliche Miene gerichtet. „Was läuft da ab zwischen uns, Mylord?“
Er wich ihr zwar nicht aus, doch sein Gesicht blieb unergründlich. „Nun, was schon? Am besten sagt Ihr die Wahrheit: Dass wir zwei, fehlbar, wie wir sind und in letzter Zeit häufig aufeinander angewiesen, uns etwas zu nahe kamen. Unsere gegenseitige Sympathie führte uns in Versuchung; wir ließen uns zu etwas Unbedachtem hinreißen, und Dunstan sah uns dabei. Schreibt Ihr, es gebe keinen Grund zur Besorgnis: Wir werden uns einen solchen Fehltritt nicht noch einmal leisten.“
Er klang so gelassen, so kühl, als bedeute ihm so ein Kuss nicht mehr, als wenn er über einen Zweig gestolpert wäre. Ja, welche Bedeutung hätte er auch schon haben sollen? Angesichts ihres Gelübdes, niemals zu heiraten? Angesichts ihres Wunsches, auf Averette zu bleiben, dort, wo sie hingehörte? Zumal ihre Schwestern ja alle fortgegangen waren? „Und was wird mit Dunstan? Was sollen wir dem sagen?“
„Ihr seid die Herrin. Er ist Euer Verwalter. Ihr schuldet ihm keine Erklärung für Euer Tun und Lassen. Und ich erst recht nicht.“
„Nur ist er auch mein Freund.“
„Euer Freund? Einer, der Euch soeben die übelsten Schmähungen an den Kopf warf? Der Euch mit einem Dolch bedrohte? Selbst wenn Ihr ihm das nachsehen wollt – Ihr müsst ihn von seinen Pflichten entbinden. Unbedingt. Das Vertrauensverhältnis ist zerstört.“
So recht er haben mochte: Dass er ihr Vorschriften machte, ging ihr gegen den Strich. Obwohl sie selber spürte, dass sie Dunstan nicht mehr vertrauen konnte. „Ich denke darüber nach.“
„Der Bursche ist tief in seinem Stolz verletzt. Das wird er Euch nicht so schnell verzeihen. Mir auch nicht. Falls er bleibt, wird er uns nichts als Ärger machen.“
„Er war mein Freund!“, klagte sie, außer Stande, ihre Abscheu und ihre Verzweiflung noch länger zu beherrschen. „Ich habe ihm vertraut! Mich auf ihn verlassen. Ich kann ihn doch nicht einfach wegjagen! Wenn sich jemand danebenbenommen hat, dann wir!“
Bayard fixierte sie verärgert und warf gereizt die Hände hoch. „Dann tut von mir aus, was Ihr wollt. Aber tragt gefälligst auch die Folgen. Weiß der Geier, wieso ich mich überhaupt eingemischt habe.“
„Vielleicht
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