Hill, Susan
»Therapien+Alternative+Komplementärmedizin+Gerson«.
Anderthalb Stunden später, als Chris nach der Einlieferung eines Teenagers mit akuter Blinddarmentzündung zurückkam, war sie in einen wissenschaftlichen Artikel vertieft, der die Wirkung einer Unterstützungstherapie mit Meditation und Visualisierung bei Krebspatienten in New Jersey behandelte.
Sie hatte mehrere Seiten ihres Notizbuchs voll geschrieben, das auf dem Kissen neben ihr lag. Das Mindeste, was sie für Karin McCafferty tun konnte, war, sie ernst zu nehmen.
Das Tonband
Wenn ich hier mit dir spreche, komme ich mir wie im Beichtstuhl vor. Indem ich dir alles erzähle, nehme ich mir selbst die Beichte ab. Der Unterschied ist nur, dass ich dich nicht um Vergebung bitte. Das solltest eher du tun.
Aber ich werde mich besser fühlen, wenn du alles weißt. Einige Geheimnisse aus der Vergangenheit sind zu einer ermüdenden Last geworden, wenn man sie allein tragen muss, obwohl es keine Schuldgefühle sind, die mich niederdrücken, sondern nur das Wissen.
Was ich dir heute erzählen werde, ist ein Geheimnis, das ich nicht allein tragen musste. Von Anfang an habe ich es mit Tante Elsie geteilt. Sie hat es mit ins Grab genommen, wie sie mir versprochen hatte. Onkel Len wusste natürlich davon, aber du erinnerst dich bestimmt, wie unterwürfig er war und dass er ohne ihre Erlaubnis nie etwas gesagt hätte.
Es ist während einer meiner Aufenthalte bei ihnen passiert. Du weißt, wie gern ich dort war, wie ich immer fragte, wann ich sie das nächste Mal besuchen dürfte. Ich wollte bei ihnen leben. Ich liebte ihren Bungalow, weil er ebenerdig war und es keine Treppen gab. Ich mochte das Frühstück, das sie mir jeden Morgen zubereitete, und den schmalen Bücherschrank neben dem Telefon, wo ich auf dem Boden saß und »Der gesunde und der kranke Körper« von Dr. Roberts las. Ich lernte so viel aus dem Buch. Es half mir, mein Schicksal zu formen.
Gerne öffnete ich die Tür zu meinem Schlafzimmer einen Spaltbreit und lauschte ihrem Gemurmel im Wohnzimmer, nicht weit den Flur hinunter, den Stimmen aus dem Radio.
Auf diese Weise hörte ich zum ersten Mal von Arthur Needham. Ich hörte seinen Namen im Radio und dann, wie sie über ihn redeten, worauf er zu einer mysteriösen Gestalt in meinen Träumen wurde.
»Wer ist Arthur Needham?«, fragte ich eines Morgens, während ich mein Rührei aß.
Tante Elsie und Onkel Len schauten sich an. Noch immer sehe ich diesen Blick vor mir. Onkel Len runzelte die Stirn, und ich wurde zum Zähneputzen rausgeschickt. Aber später sagte Tante Elsie: »Du wirst ohnehin bald davon hören, also werde ich es dir erzählen. Du bist alt genug.«
Der Ton ihrer Stimme schien sich zu verändern, tiefer aus ihrer Kehle zu kommen, obwohl sie nicht flüsterte. Ich nahm die Erregung darin wahr. Hinter ihrem ernsten Gesichtsausdruck genoss sie es.
Arthur Needham war ein unbedeutender Tuchhändler, der eine Witwe mit etwas Geld geheiratet und sie, ein Jahr später, ermordet hatte. Als er herausfand, dass sie ihr Geld nicht wie versprochen ihm vermacht hatte, sondern ihrer einzigen Tochter, brachte er die Tochter auch noch um.
Ich war sofort interessiert.
»Wo ist Arthur Needham jetzt?«
»In der Todeszelle.«
Ich wollte es wissen, wollte alles wissen. Ein Funke ihrer Erregung war auf mich übergesprungen und hatte etwas in mir entzündet, das nie wieder gelöscht werden würde.
»Er ist ein böser, gottloser Mann, und ich werde dort sein, zusehen und warten, bis ich weiß, dass er seine Strafe bekommen hat und der Gerechtigkeit Genüge getan wurde.«
»Was wird passieren?«
»Er wird mit dem Strang erhängt, bis der Tod eintritt.« Auch ihr Gesicht hatte sich jetzt verändert, ihre Augen wölbten sich leicht vor, und ihre Lippen waren dünn und zusammengepresst, blutleer.
»Du kannst mitkommen«, sagte sie.
Vier Tage später, als sie mich zu Bett brachte und nachdem sie meine Gebete gehört hatte, sagte sie: »Es passiert morgen früh. Falls du immer noch mitkommen willst.«
»Zum Gefängnis, wo er gehängt wird?«
»Du kannst es dir noch anders überlegen und brauchst dich nicht zu schämen.«
»Ich komme mit.«
»Es wird dir gut tun, das Böse ausgelöscht zu sehen.«
Natürlich verstand ich das nicht, wusste nur, dass ich dort sein wollte.
»Ich wecke dich«, sagte sie, »früh. Und jetzt musst du mir ein feierliches Versprechen geben.«
»Ich versprech’s.«
»Dass du nie einer lebenden Seele davon erzählst, wohin du morgen mit mir gehst,
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