Hill, Susan
umgeben von einem weichen, lilablauen Dunst, und sie war frei von allem, was sie jetzt oder jemals bedrückt hatte. Sie lauschte auf sanfte Töne, die wie Musik klangen, aber keine war, es waren natürliche Töne, Vogelgesang und plätschernde Bäche, Wellen, die über den Sand strichen, und Wind in den Bäumen … Sphärenmusik, dachte sie, Sphärenmusik.
Sie hatte über ihre Kindheit gesprochen, als ihre Mutter noch lebte. Die Stimme ihrer Mutter war ganz deutlich gewesen, ihr Gesicht direkt vor ihr. Debbie hatte davon gesprochen, wie sie mit ihrer Mutter durch die Blätter in einem goldenen Wald gegangen war, wie ihre Mutter gelacht hatte, während sie Schneebälle warfen, wie ihre Mutter sie in den Schlaf gesungen hatte. Sie hatte davon gesprochen, wie ihre Mutter blass und schrecklich dünn im Bett gelegen hatte, mit Knochen, die weiß durch die fast transparente Haut durchschimmerten, und mit trüben Augen.
»Ich habe mich vor ihr gefürchtet«, hörte sie sich sagen, »sie war nicht mehr meine Mutter.«
Sie erzählte vom Tod ihrer Mutter und dem Begräbnis, dem leeren Schlafzimmer und der Stille im Haus, wie sie hinausgegangen war und sich in den Garten gesetzt hatte oder durch die Straßen gelaufen war, um das Weinen ihres Vaters nicht mit anhören zu müssen. Sie erzählte von ihrer neuen Stiefmutter und wie sie sie in diesen ersten Wochen gehasst hatte.
Jetzt spürte sie, wie sie nach oben schwebte, wie ein Taucher, der langsam an die Oberfläche kommt.
»Gut, Debbie … Ruh dich aus. Bleib ganz ruhig.«
Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie lag auf einer Couch, und die Zimmerdecke über ihr war blau und mit winzigen goldenen Sternen übersät. Sie hatte keine Erinnerung daran, wie sie hierher gekommen war.
Dava saß auf einem Hocker neben ihr.
»Wenn du so weit bist, setz dich auf. Lass dir Zeit.«
»Habe ich geschlafen? Hab ich geträumt?«
»Wir nennen das Tranceschlaf … eine Art Wachschlaf. Er hat tiefe Heilkraft. Du warst in Sicherheit. Vollkommen in Sicherheit.«
Seine Stimme war sanft, mit leicht singendem Tonfall, und Debbie wäre am liebsten zurückgesunken, wollte sich von der Stimme wieder in diese wunderbare andere Welt einlullen lassen.
»Setz dich auf, Debbie.«
Mit einem Rascheln seiner langen Robe erhob sich Dava und ging zu seinem Platz an dem runden Tisch. »Wenn du so weit bist, komm wieder hier herüber. Steh nicht zu rasch auf, dir könnte etwas schwindlig werden.«
Ihr Kopf fühlte sich so leicht an, als schwebte er auf ihren Schultern. Vorsichtig schwang sie die Beine über den Rand der Couch und wartete einen Augenblick.
»Jetzt wirst du nach Hause gehen und besser schlafen als seit Monaten. Aber wir sollten noch ein oder zwei Dinge besprechen … ein oder zwei Probleme klären.«
Als sie durch den Raum ging, waren ihre Beine weich wie Gummi, und sie war froh, sich setzen zu können.
»Es wird dir gut gehen. Es wird dir sehr gut gehen. Du hast einen hellen, leuchtenden Pfad vor dir, aber es gibt Hindernisse auf dem Weg. Du kennst sie, Debbie. Erzähl mir von ihnen. Du weißt, was du an dir ändern möchtest.«
»Ich bin zu dick. Ich hasse meine Pickel. Ich hasse die Schwärze, die mich überkommt.«
Nie hätte sie gedacht, so offen darüber sprechen zu können; sie hörte sich Dinge sagen, für die sie sich schämte, als wären es Posten auf einer Einkaufsliste.
»Nach dieser Sitzung werde ich dir schriftliche Anweisungen schicken. Eine Diätanleitung – aber die ist sehr einfach. Iss Gemüse und Obst. Trink ausschließlich Wasser oder Kräutertees. Iss nur Vollwertkost. Iss von diesen Dingen so viel du willst. Iss keine Tierprodukte. Keine Milch, kein Brot, kein Zucker. Trink weder Alkohol noch Koffein, keinen Kaffee oder Tee oder Schokolade. Nimm die Vitamine, die ich dir schicke. Außerdem werde ich dir eine Kräutersalbe für deine Haut zusammenstellen. Ich schicke dir alles in ein paar Tagen. Die düstere Stimmung wird sich ganz allmählich heben. Am Anfang könnte es schlimmer werden, und die Kopfschmerzen eventuell auch. Ruh dich viel aus. Und geh so oft wie möglich an die frische Luft. Geh und tanze und laufe auf den Feldern, in den Wäldern … wo immer du hinmöchtest. Und lass dabei deine Seele singen, Debbie. Hör auf mich und hör auf deine innere Stimme.
Der Prozess des Heilens und der Harmonie hat begonnen. Ich bin sehr zufrieden mit dir. Ich sehe Liebe und Licht, die dich umgeben, und eine freudige Zukunft, sobald wir die Dunkelheit
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