Hill, Susan
das ganze Wochenende Bereitschaftsdienst, und würden Sie ihr bitte sagen, ich möchte sie am Montag in der Praxis sehen?«
Cat sah noch einmal nach Debbie, bevor sie ging. Sie schlief, lag zusammengerollt auf der Seite und atmete normal. Ihre Augenlider waren weniger geschwollen, und auch die Schwellung im Gesicht war zurückgegangen. Das Antihistaminikum tat seine übliche magische Wirkung. Es war leicht zu erkennen, warum das Mädchen drastische Mittel zur Reinigung ihrer Haut eingesetzt hatte; die Akne hatte sich über ihr Gesicht und ihren Hals ausgebreitet, hässlich und leicht entzündet. Aber warum war sie deswegen zu einem gefährlichen Quacksalber unter den Hippies von Starly gegangen, was sie vermutlich eine hübsche Stange Geld gekostet hatte, wenn sie sich ein Rezept für Antibiotika von Cat hätte holen können, die ihre Akne heilten und für die sie, da sie arbeitslos war, nicht einmal zu bezahlen brauchte?
Als Cat durch die nächtlichen Straßen aus Lafferton hinausfuhr, nahm sie sich vor, mit ein oder zwei Arztkollegen über diese Person zu sprechen, die sich Dava nannte.
14
F reya Graffham war keine Kirchgängerin, aber an einem ihrer ersten freien Abende in Lafferton ging sie in die Kathedrale, weil dort Händels Messias aufgeführt wurde. Sie hatte das Oratorium oft genug im Alt mitgesungen, von der Schulzeit an, und sie hatte auch vieles andere mitgesungen, war sogar in leichten Opern aufgetreten, bis Don protestiert hatte und sie – in einem weiteren verzweifelten Versuch, ihn zu beschwichtigen und versöhnlich zu stimmen – ihren Chor in Ealing und die aus Amateuren bestehende Operngesellschaft aufgegeben hatte. Don sang nicht, mochte keine Musik, weigerte sich, eine Kirche zu betreten, und lehnte alles ab, was Freya ohne ihn aus dem Haus brachte. Sie hatte aufgehört, Tennis und Badminton zu spielen, beides Sportarten, in denen sie gut war; nur Schwimmen war ihr erlaubt, weil Don Schwimmer war. Andererseits war er zweimal im Jahr ohne sie zum Skilaufen gefahren. Sie war einmal mit ihm in der Schweiz gewesen und hatte sich den Knöchel gebrochen. Danach war Don einfach mit einer Gruppe von Freunden Skilaufen gegangen. Nie war die Rede davon gewesen, dass er es aufgeben könnte.
Während sie in der Kathedrale von St. Michael saß und Händels gewaltige Chöre genoss, überlegte sie erneut, wie sie Don Ballinger nicht nur hatte heiraten können, sondern es fertig gebracht hatte, auch nur ein halbes Dutzend gesellschaftliche Ereignisse mit ihm zu überstehen. In ihrer Ehe hatte sie das Gefühl gehabt zu verschwinden, ihr eigener Geschmack und ihre Freuden ausgelöscht von seiner Missbilligung, kaum Raum für ihre Persönlichkeit, außerhalb der engen Begrenzungen ihres Berufs zum Ausdruck zu kommen.
Sie konnte sich immer noch nicht daran gewöhnen, frei zu sein. Während sie hier in diesem herrlichen Gebäude saß und der Musik lauschte, die sie so gut kannte, wurde ihr erneut klar, dass sie kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte, sich beim Heimkommen keine Ausreden oder Lügen einfallen lassen musste, sondern nur für sich selbst verantwortlich war.
Alle Tale
Macht hoch und erhaben.
Sie wollte mit einfallen, kannte jede Note, jedes Forte und Pianissimo, jede Altzeile, jedes biblische Wort.
Die Kathedrale war voll besetzt, und obwohl Freya bisher niemanden erkannt hatte, fühlte sie sich zu Hause, so sehr Teil von allem, als lebte sie bereits seit Jahren hier. London, ihre Ehe, die Met verschwanden Stück für Stück wie das Lächeln im Gesicht der Cheshire-Katze.
Im Programm fand sie Einzelheiten über die St.-Michael-Sänger, die von Profisolisten unterstützt worden waren, und die Adresse der Chorsekretärin. Als Freya heimkam, zündete sie ein Feuer an – einen echten Kamin zu haben war eine der Prioritäten bei der Haussuche gewesen. Viel zu lange hatte sie in Wohnungen mit funktionierender, sauberer, seelenloser Fußbodenheizung gelebt. Der Kamin war klein, aber er zog gut, und es dauerte nur ein paar Minuten, das Feuerholz und ein paar kleine, trockene Scheite zu entzünden. Sie legte den Messias auf, goss sich ein Glas Sancerre ein und bat, bevor sie zu ihrem Buch zurückkehrte, schriftlich um Einzelheiten des nächsten Vorsingens bei den St.-Michael-Sängern.
»Du bist glücklich«, sagte sie laut zu sich. »Du bist glücklich!«
Das Vorsingen fand im Probenraum der Kirche statt. Außer ihr waren noch vier weitere da, und sie und zwei davon, ein Mann und eine
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