Hill, Susan
modisch an. Zweckmäßige Kleidung, wissen Sie, stets in gutem Zustand, aber nichts Besonderes. Zumindest nichts, was mir aufgefallen wäre.«
»Altjüngferlich?«
»Das klingt furchtbar, nicht wahr? Irgendwie herablassend. Aber, ja.«
Freya stand auf und griff nach der Liste. »Wenn Ihnen noch irgendwas einfällt, vor allem im Zusammenhang mit dem hier, würden Sie mich bitte anrufen?«
»Was denn genau?«
»Vielleicht eine Bemerkung, die sie gemacht hat, eine Erwähnung, die Ihnen plötzlich wieder einfällt.«
»Angela war … ist nicht der Mensch, der Bemerkungen fallen lässt. Sie ist sehr zurückhaltend.«
»Trotzdem.«
»Ich werde natürlich darüber nachdenken, aber ich bezweifle, dass Sie von mir hören werden. Ich bin nur erstaunt über das, was Sie mir da vorgelegt haben. Es zeigt doch mal wieder, nicht wahr … wie wenig wir über die Menschen wissen, mit denen wir täglich zusammen sind.«
Auf dem Revier fand Freya Nathan Coates wieder am Computer sitzend, beschäftigt mit seiner Drogendatenbank.
»Haben Sie die Vermisstenfälle durchgesehen?«
»Ja, Sarge, die von den letzten zwei Jahren.«
»Was gefunden?«
»Ich hab’s Ihnen auf den Schreibtisch gelegt. Viel ist es nicht. Ein Teenager, aber das war vor achtzehn Monaten, und sie wurde zuletzt in der Nähe des Bahnhofs gesehen. Der andere ist ein Mann.«
»Na gut. Trotzdem, vielen Dank.«
»Kein Problem. War mal was anderes.«
Sein Lächeln munterte sie auf, wie gewöhnlich.
Die zwei vermissten Personen, die er ausgewählt hatte, schienen auf den ersten Blick nichts mit Angela Randall gemein zu haben, wie Nathan angenommen hatte. Der Teenager Jennie O’Dowd sah in der Tat wie der übliche Ausreißer aus schwierigen häuslichen Verhältnissen aus.
Freya las sich die Einzelheiten über den vermissten Mann durch und hätte auch den Fall fast beiseite gelegt, bis ihr einige Zeilen auffielen, die Nathan Coates rot unterstrichen hatte.
Zuletzt gesehen Dienstag, 7. März 2000, um 6 Uhr 30, auf einem Mountainbike auf dem Hügel, laut Angabe von Alan John Turner, 57, Wohnung 6, Mead House, Brewer Street, Lafferton, der seinen Hund ausführte.
Lohnte es sich, Nathan loszuschicken, um Mr Turners Aussage zu überprüfen? Wahrscheinlich nicht, und außerdem würde der DI an die Decke gehen, wenn er herausfand, dass sie Nathan von der Drogenüberprüfung abgezogen hatte, um ihn auf eine als mit niedriger Priorität eingestufte Vermisstenermittlung anzusetzen. Sie hörte schon das Wort »Ressourcen« in ihrem Kopf hallen. Aber die Brewer Street lag nur zwei Minuten von ihrem Haus entfernt, also bot es sich an, auf dem Heimweg einen kleinen Umweg zu machen. Sie steckte Nathans Notizen in ihre Tasche und wollte sich gerade lustlos wieder dem Veruntreuungsfall zuwenden, als Police Constable Heidi Welsh den Kopf durch die Tür des Kriminaldezernats steckte.
»Einsatzbesprechung mit Inspektor Ford über die Operation Sapper in einer halben Stunde. Oh, und Freya, der DCI möchte Sie sehen.«
Freya hatte das Gefühl, von einem Stromschlag getroffen zu sein.
»DCI Serrailler? Wann?«
»Jetzt, nehme ich an.«
»Weswegen?«
Heidi zuckte die Schultern. Die Tür fiel hinter ihr zu.
»Freya … kommen Sie herein.«
Er saß nicht, sondern stand am Fenster, und in dem Moment, als sie ihn sah, wusste sie mit absoluter Gewissheit, dass es keine geistige Verwirrung gewesen war, kein Trick ihres Unterbewusstseins, keine flüchtige Anziehung, die nur aus ihrer Stimmung herrührte und nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte.
Ich will das nicht, dachte sie und wurde von Panik ergriffen, hätte sich fast umgedreht und wäre nicht nur aus dem Zimmer, sondern aus dem Gebäude geflohen; sie merkte, dass sie ihre Gefühle nicht kontrollieren und sich nur retten konnte, wenn sie tatsächlich ging, unter irgendeinem Vorwand ihre Kündigung einreichte und nie wiederkam. Das wird nicht verschwinden und hat alles überrollt und sogar verdorben. Es wird sich auf meine Arbeit auswirken, meine Freizeit, meinen Schlaf, meine Zufriedenheit, jeden wachen Augenblick, mein Glücklichsein darüber, London verlassen zu haben und hierher gekommen zu sein. Es hat mich in den Klauen, und ich will das nicht.
»Setzen Sie sich, bitte. Tut mir Leid, dass ich noch keine Gelegenheit hatte, mich bei Ihnen zu erkundigen, wie Sie sich eingelebt haben, aber als ich aus dem Urlaub zurückkam, hatte ich gleich den Veruntreuungsfall auf dem Tisch und die üblichen elenden
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