Hill, Susan
Sie eine Nachricht nach dem Piepton. Vielen Dank.«
Ihre Stimme war beruhigend, klar, angenehm, mit einer gewissen Wärme, aber ohne falsche Intimität. Iris Chater hörte sich die gesamte Ansage an, legte auf und nahm sich vor, am Abend anzurufen.
Sie glaubte, jetzt viel ruhiger zu sein, nachdem sie zu einer Entscheidung gekommen war und die Stimme des Mediums gehört hatte. An ihr war nichts Gespenstisches, überhaupt nichts Ungewöhnliches. Aber um zehn nach fünf zitterten ihre Hände, und sie war sich so unsicher, ob sie überhaupt etwas herausbringen würde, dass sie sich ein Glas Wasser holte und es neben das Telefon stellte.
Was tue ich nur? Das ist falsch, ich weiß nicht, worauf ich mich da einlasse, ich sollte Harry in Frieden ruhen und die Finger davon lassen.
»Sheila Innis, was kann ich für Sie tun?«
Wundersamerweise merkte Iris Chater, dass sie antworten konnte.
»Ich … ich würde gern einen Termin vereinbaren. Ich hab schon mal angerufen und Ihre Ansage gehört.«
»Natürlich. Würden Sie mir Ihren Namen nennen?«
»Chater. Mrs Iris Chater.«
Sie nannte ihre Adresse, ihre Telefonnummer und ihr Geburtsdatum. Mehr wurde nicht verlangt.
»Ich mache jeden Nachmittag zwischen zwei und halb sechs Einzelsitzungen, Mrs Chater, und abends halten wir Gruppensitzungen ab.«
»Oh, nein, ich möchte nicht mit anderen zusammenkommen. Es … ich möchte allein mit Ihnen sein.«
»Ich verstehe. Ich hatte gerade eine Absage für den sechsten Februar um drei Uhr. Würde Ihnen das passen?«
»Vorher geht es nicht?«
»Leider nein. Ich bin immer ziemlich ausgebucht. Wenn es bei Ihnen an dem Tag nicht geht, wäre erst in der zweiten Märzwoche wieder etwas frei.«
»Doch, ich kann an dem Tag kommen. Ich wollte nicht …«
»Ich weiß. Wenn sich jemand entschlossen hat, zu mir zu kommen, will er das natürlich so bald wie möglich. Ich wünschte, ich könnte dann sofort zusagen, aber das geht einfach nicht.«
»Nein, nein, das verstehe ich. Es passt durchaus. Der sechste Februar. Ich kann an dem Tag kommen.«
»Haben Sie meine Adresse?«
»Ja. Ich kenne die Straße.«
»Dann sehen wir uns um drei.«
»Ich danke Ihnen vielmals.«
»Und, Mrs Chater? Sie klingen verunsichert. Bitte machen Sie sich keine Sorgen. Ich glaube, Sie werden sich wohl fühlen, wenn wir uns kennen gelernt haben und Sie bequem in meinem Wohnzimmer sitzen. Jeder ist zuerst unsicher, das ist ganz natürlich, aber ich verspreche Ihnen, dass Sie sich sehr entspannt und glücklich fühlen werden. Ich freue mich auf Sie.« Iris Chater blieb neben dem Telefon sitzen, ganz schwach vor Erleichterung. Sie hatte das Richtige getan und würde jetzt nicht mehr nervös sein. Sheila Innis hatte sie beruhigt.
»Ich komme und werde mit dir reden, Harry«, sagte sie, »genau wie du gewollt hast.«
Der sechste Februar war wie ein Frühlingstag, mild, mit blauem Himmel und einer milchigen Sonne. Die Schneeglöckchen waren auf dem geschützten Fleck unter dem Fliederbusch am Ende des Gartens fast verblüht, und jetzt kamen die Krokusse heraus, gelb und lila, in Kreisen unter den Bäumen. Harry war nie ein echter Gärtner gewesen, das war eher ihr Part gewesen, aber sie hatten beide die Frühlingsblumen geliebt und nach ihnen Ausschau gehalten, und sie fühlte sich mit ihm verbunden, als sie zum Priam Crescent ging. Sie war früh aufgebrochen, nachdem sie den ganzen Morgen die Hintertür verschlossen gehalten hatte, damit Pauline, wenn sie kurz nach Mittag herüberkam, nicht einfach hereinplatzen konnte. Harry hatte das nie gemocht, und als er noch lebte und im Haus war, hatte Pauline immer angeklopft. In letzter Zeit war das in Vergessenheit geraten. Iris hatte vor, eine Andeutung fallen zu lassen, dass das Klopfen wieder eingeführt werden sollte.
Sie hatte fast ein schlechtes Gewissen, den Termin bei dem Medium für sich behalten zu haben, weil Pauline ihr schließlich den Vorschlag gemacht und den Namen herausgefunden hatte. Vielleicht würde sie ihr später davon erzählen. Das kam ganz darauf an.
Um Viertel vor zwei hörte sie Pauline weggehen, wie immer am Dienstag; ihre Schwiegertochter fuhr sie dann zum Einkaufen nach Bevham und nahm sie danach zum Tee mit zu sich nach Hause. Einen passenderen Tag für Iris’ Termin hätte es kaum geben können.
Sie war jetzt nicht mehr besorgt oder beunruhigt, nicht im Mindesten. Das lag hinter ihr. Die Stimme der Frau hatte ihr gefallen, und sie wusste tief in ihrem Herzen, dass Harry mit dem
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