Hill, Susan
genau? Während sie darüber nachdachte, wurde Sandy zum ersten Mal klar, dass sie am Tag zuvor, als sie aufgestanden und zur Arbeit gegangen war, Debbie gar nicht gesehen hatte. Früher hatte sie darauf geachtet, zu ihr reinzugehen, die Vorhänge aufzuziehen, ihr Tee zu bringen und zu versuchen, sie zum Aufstehen zu bewegen, aber seitdem Debbie so viel fröhlicher wirkte und Sandy sich keine Sorgen mehr machen musste, dass ihre Freundin den ganzen Tag trübsinnig im Bett verbringen würde, hatte sie es nicht mehr getan. Meist stand Debbie jetzt mit ihr zusammen auf, aber gelegentlich hatte sie länger geschlafen, und Sandy hatte sie gelassen, da sie wusste, dass es sich nur um eine zusätzliche halbe Stunde handeln würde. Sie hatte sich keine Sorgen mehr gemacht.
Hatte Debbie noch geschlafen, als Sandy gestern zur Arbeit gegangen war? Sie hatte es angenommen, aber jetzt ging ihr auf, dass sie es nicht genau wusste, es nicht hätte beschwören können. Am Abend zuvor war sie definitiv zu Hause gewesen; sie hatten sich zusammen Coronation Street angeschaut und dann das Video Ocean’s Eleven.
Vermutlich hatte Debbie am nächsten Morgen schlafend im Bett gelegen, aber seit sie zu diesem Dava ging, hatte sie auch ein- oder zweimal frühmorgens einen ihrer neuen langen Spaziergänge gemacht.
Sandy ging ins Wohnzimmer, von dort in ihr Schlafzimmer und kam dann wieder in die Küche zurück, konnte sich nicht beruhigen, wusste nicht, was sie tun sollte, ob sie die Polizei anrufen sollte, ob es ein Fehler gewesen war, nicht früher darauf zu kommen. Sie hatte ja nichts verschwiegen, es war ihr nur nicht eingefallen. Und schließlich wusste sie es nicht genau und konnte sich nicht sicher sein. Debbie konnte zu Hause gewesen sein, Debbie konnte nicht zu Hause gewesen sein. Debbie war vermutlich zu Hause gewesen. Debbie …
Wieder klingelte das Telefon.
»Hallo, Sandy, Freya Graffham. Ich dachte, es würde Sie vielleicht interessieren, dass wir bereits eine Menge Reaktionen auf den Aufruf bei Radio BEV bekommen haben, einige davon recht hilfreich. Wir gehen ihnen nach.«
»Hat jemand sie gesehen? Weiß man, wo sie ist?«
»Bisher nichts Konkretes. Es sind ein paar Wichtigtuer dabei, aber das ist nicht ungewöhnlich, und wir können sie leicht aussortieren. Wie geht es Ihnen?«
Sandy schluckte. »Ganz gut. Hören Sie …«
»Ist Ihnen noch etwas eingefallen?«
»Ja«, sagte Sandy. »Nein … es …«
»Warten Sie … Versuchen Sie nicht, es mir am Telefon zu erklären, Sandy. Sie klingen verstört. Ich komme zu Ihnen.«
Eine Stunde später, nachdem sich Freya Sandys Bericht angehört hatte, fuhr sie zum Hügel, wo die Durchsuchung bereits im Gange war. Polizisten bewegten sich in einer weit auseinander gezogenen Reihe langsam die steilen Pfade hinauf und suchten den Boden ab, während andere auf die Büsche und das Unterholz schlugen. Als Freya aus dem Wagen stieg, sah sie Simon Serrailler mit dem uniformierten Inspector reden, der die Suche leitete, und ging zu ihnen. Die Jagd nach Debbie Parker beschäftigte sie jetzt ganz und gar, ihre gesamte Energie und Aufmerksamkeit waren darauf gerichtet, und doch reagierte ein Teil von ihr freudig auf Serraillers Anblick. Sie unterdrückte das Gefühl, verdrängte es, um es so gut wie möglich ignorieren zu können, solange die Ermittlungen liefen.
»Freya?« Er drehte sich sofort zu ihr um. »Gibt’s was Neues?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Sie nickte dem Inspector zu, der sich entfernte und wieder zu dem Polizeibus ging, dem Treffpunkt der Suchmannschaft.
»Ich war gerade bei Sandy Marsh, Debbies Mitbewohnerin. Sie ist sehr verstört. Ihr ist plötzlich eingefallen, dass sie Debbie gestern Morgen gar nicht gesehen hat. Am Abend vorher war sie auf jeden Fall da. Sie haben gemeinsam ferngesehen, und Sandy ist später, gegen halb elf, in Debbies Zimmer gegangen, um sich Papiertaschentücher zu leihen. Debbie lag im Bett und hat bereits fest geschlafen. Also ist Sandy reingeschlüpft und wieder hinaus, ohne sie zu wecken. Aber Sandy fragt sich jetzt, ob Debbie nicht am nächsten Morgen vor ihr aufgestanden ist und einen ihrer langen Spaziergänge gemacht hat.«
Serrailler runzelte die Stirn. »Irgendwelche Reaktionen auf die Rundfunkdurchsage?«
»Viele Anrufe, die üblichen Wichtigtuer, nichts Konkretes. Sir, ich denke, wir sollten noch einen Aufruf durchgeben und dabei auch Angela Randalls Verschwinden erwähnen. Es liegt zwar schon länger zurück, aber ich
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