Himbeereis mit Aussicht
Sahne, Streusel und Schirmchen dekorierte. So hatte sich Romy die Sache nicht vorgestellt. Ein Eisbecher bedeutete, dass sie hier essen musste. Was nicht ganz angenehm verlaufen würde, wenn Bruno bei ihrem Geständnis an die Decke ging.
„Rote Eissorten sind bei den weiblichen Gästen bisher der Renner. Jedes zweite Mädchen unter neunzig bestellt Kirscheis, Johannisbeereis oder Himbeereis!“, erklärte Thea und reichte ihrer Mutter den fertigen Eisbecher.
„Unter neunzig?“, wunderte sich Romy über die Wortwahl ihrer Tochter.
Thea sah sie bei diesem Einwurf erst verblüfft an, schüttelte dann über sich selbst den Kopf und lachte.
„Mein Chef hat mich schon angesteckt mit seiner Denkweise. Wenn er zu den Frauen nicht Bella sagt, dann bezeichnet er sie als Mädchen!“
Tatsächlich? Das war Romy noch nicht aufgefallen. Aber da Thea gerade ihren Chef erwähnte, war das eine gute Gelegenheit nachzufragen, wo der überhaupt war.
„Lässt man dich jetzt schon den Laden ganz alleine schmeißen, Thea?“
„Nein, nein“, winkte Thea ab und erklärte den Umstand warum sie im Moment keine Unterstützung hatte. „Bruno hatte gerade eine kleine Auseinandersetzung mit der Espressomaschine. Irgendein Teil war verstopft und als er nachsehen wollte, kam ihm die ganze Soße entgegen. Jetzt ist er in seiner Wohnung und zieht sich um.“
Schonfrist für Romy, aber aufgeschoben war nicht aufgehoben. Die Konfrontation würde nur ein wenig später stattfinden.
„Warum gehst du nicht nach oben, Mama, suchst dir einen schönen Platz aus und genießt dein Eis? Ich bin sicher, du wirst unseren Wintergarten lieben!“
Natürlich würde sie den Wintergarten lieben, das war für sie der schönste Platz im Lokal. Aber das verriet sie Thea lieber erst einmal nicht. So saß Romy wenig später an einem kleinen Bistrotisch und schaute hinaus auf die grüne Landschaft, die bis an die Stadt heran reichte. Sie wünschte, sie hätte sich ein Buch mitgebracht und könnte hier sitzen und lesen bis es dunkel wurde. Aber ihr nächster Job wartete schon auf sie.
So wie es aussah würde sie ihre Identität vor Bruno jetzt gerade nicht lüften können. Nun, vielleicht sollte es ja einfach nicht sein! Vielleicht gönnte ihr das Schicksal ja noch eine Gnadenfrist bis zum Abend. Warum hätte sie für ihren Besuch sonst eine Zeit erwischt, in der Bruno nicht wie sonst in seinem Laden stand? Aber während sie noch über diese glückliche Fügung nachdachte, änderte sich diese Situation schon wieder.
Bruno hatte seine Säuberungsaktion mit einer schnellen Dusche und sauberer Kleidung abgeschlossen und kam jetzt die Stiege herunter, die den Wintergarten mit seiner Wohnung verband. Und auch wenn er es eilig hatte, weil er Thea nicht zu lange im Laden alleine lassen wollte, übersah er Ramona dennoch nicht. In einem Sekundenbruchteil entschied er sich dafür, dass Thea noch ein paar Minuten länger ohne ihn zurechtkommen konnte.
Noch hatte Romy Bruno nicht entdeckt, da sie in Gedanken versunken war. Darum erschrak sie ganz gewaltig als sie angesprochen wurde.
„Ramona, schön, dass Sie einmal zum Vergnügen hier sind!“, begrüßte Bruno seine Aushilfsputzfrau.
Die verschluckte sich prompt an einem Löffel Eis und hustete hilflos. Ein sanftes Klopfen auf den Rücken half ihr nicht wirklich, aber die Geste war nett gemeint. Als Romy den Hustenanfall fast überwunden hatte setzte sich Bruno zu ihr an den Tisch. Für Romy rückte so die Stunde ihrer Beichte unaufhörlich näher. Doch noch zögerte sie und hoffte auf eine günstige Gelegenheit das Thema anzusprechen.
„Ich wollte Sie nicht erschrecken, Ramona“, entschuldigte sich Bruno zuerst einmal. Dass er sie dabei mehr als nur freundlich anlächelte, verstärkte Romys Schuldgefühl noch.
„Sie haben mich nicht erschreckt, Bruno“, wehrte sie deshalb nicht ganz ehrlich ab. „Es war meine eigene Schuld!“
Diese Aussage verwirrte Bruno, da er nicht wissen konnte, dass Romys Schreck vor allem von einem schlechten Gewissen herrührte. Deshalb ließ er ihre Bemerkung unbeachtet und begann mit einer lockeren Unterhaltung.
„Wie ist es, einmal als Gast hier zu sein, Ramona? Gefällt es Ihnen?“, wollte Bruno gespannt wissen.
Das war eine Frage, die Romy ehrlich und mit Begeisterung beantworten konnte.
„Wunderbar, Bruno! Ich glaube, ich könnte den ganzen Tag hier sitzen und würde mich keine Minute davon langweilen.“
Dieses Eingeständnis gefiel Bruno außerordentlich gut
Weitere Kostenlose Bücher