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Himbeersommer (German Edition)

Himbeersommer (German Edition)

Titel: Himbeersommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Saskia Beyer
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selbstbewussten, forschen Menschen zu erziehen. Sie hat mich mit einer Blume auf dem Kopf auf die Bühne geschubst, hat mich in den Gitarren-Unterricht geschleppt und mich Weihnachten vor versammelter Familie gezwungen, einen Song von Janis Joplin zu singen. Ich wirke zwar nach außen straight und tough, aber tief in mir drin sieht es aus wie in meinem Kleiderschrank. Sehr durcheinander.
     
Und von wem ich die Veranlagung dazu habe? Von meinem Vater. Einem etwas schusseligen Mann, der in seinem Leben eindeutig zu viel gekifft hat und von meiner Mutter überfordert war. Meiner extrovertierten Mutter mit ihrem „komm, Mädchen, das steht dir nicht, dafür hast du zu breite Hüften“. An solchen Tagen habe ich sogar den Schokoladenkuchen meiner Oma abgelehnt. In der Hoffnung, schmalere Hüften zu bekommen. Oma meinte immer, „ein gebärfreudiges Becken, das kannst du noch gebrauchen“. Und meine Oma war eine kluge Frau.
Es kann doch nicht so schwer sein, einen Samenspender zu finden?
     
     

***
     
Die Himbeersiedlung blüht und gedeiht. Laufrad fahrende Kinder und schwangere Drittgebärende sprießen wie Löwenzahn aus dem Boden.
Bald können die nächsten zwei Bauherren ihre Häuser übernehmen. Wie durch ein Wunder habe ich es geschafft, meinen Job nur so weit zu vernachlässigen, dass es keinem bisher aufgefallen ist. Weitere größere Pannen sind ausgeblieben - zumindest bis jetzt.
Nur noch die Hälfte des zukünftigen Spielplatzes sieht aus wie ein großer Schrottplatz. Auf der anderen wird gerade ein großes Piratenschiff von drei starken Männern aufgebaut.
Ich sehe ihre Muskeln in der Sonne glänzen und sehe die Cola-Werbung vor mir, wie sie ihre Bierflaschen zu den Lippen führen.
Attraktive, schwitzende Männer trinken Cola, lächeln mir zu.
Ich lächele zurück, denn mir kommt da so ein Gedanke.
„Mehr nach rechts, der Mast kippt gleich, Achtung, genau. Ihr macht das super.“ Ich versuche sie bei Laune zu halten.
Der eine, ein Neuer auf der Baustelle, zwinkert mir zu, grinst. Ich fühle mich so begehrenswert wie Nicole Kidmann in Spitzen-Unterwäsche. Na also, geht doch.
Der Typ ist bestimmt ein lieber Kerl, sportlich, bodenständig, clever, … kinderlieb. Der perfekte Spender.
„Süße“, ruft er zu mir runter. „Wir können das übrigens.“
„Was?“, frage ich etwas verwirrt zurück.
„Den Mast aufstellen.“ Anzügliches Grinsen.
Lautes Gelächter schallt mir entgegen.
Ich bin wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt.
„Don’t fuck in the company“ ist einer der weisen Sprüche, die mir mein Vater mit auf den Weg gegeben hat, bevor er nach Mexiko ausgewandert ist. Und er als Alt-68er muss es ja wissen.
„Sieht mir aber nicht so aus“, schmettere ich dem Kerl mit seinem Riesenmast entgegen und drehe mich auf dem Absatz um. Sie pfeifen mir hinterher. Das bin ich gewohnt – und genieße es immer mehr, je schneller ich auf die 50 zusause.
     
Mein Lieblingsdachdecker Kalli grinst mich an, als ich in meinen grünen Gummistiefeln auf ihn zugestapft komme.
„Dem Neuen musst du noch zeigen, wer hier die Hosen anhat.“
„Weiß er schon“, lächle ich extra cool, als wäre ich selbst davon überzeugt.
Er grinst, zieht eine Zigarette hinter seinem Ohr hervor und kramt nach seinem Feuerzeug.
„Mist, hast du grad mal Feuer?“, fragt er, während er in seiner Jacke weitersucht.
„Der Haut einer Frau sieht man jede einzelne Zigarette …“
„Ich weiß, ich weiß, Nora. Deine Mama hat sich selbst aber nicht dran gehalten, oder?“
Ich schüttele grinsend den Kopf. Da fühle ich eine Streichholzschachtel in meiner Jackentasche und ziehe sie heraus.
„Bistro bleu.“ Die Streichholzschachtel aus dem kleinen französischen Bistro!
Ich starre sie an, dann Kalli, dann wieder die Schachtel.
„Was hast du?“, will er erschrocken wissen. „Irgendwas durcheinander?“
„Ja, alles!“, lächele ich wie ein Mondkalb vor mich hin, drehe mich um, gehe an einem Himbeerbusch vorbei und mache mir einen Stengel ab. Oh wie die Blüten duften!
Kalli ruft mir irritiert hinterher. „He, und was is mit dem Feuer?“
Doch ich höre ihn nicht. Ich habe mein Handy gezückt, öffne die Hand, in der sich die Streichholzschachtel befindet und starre meine Finger an - sie zittern.
Ich tippe die Nummer und höre Kinderstimmen.
Es sind nur Ruby und Wanda, die das Piratenschiff entern.
     
Es meldet sich keiner, doch dann nimmt Daniel ab.
„Ja, hallo?“
Ich fange an, zu stottern. „Hi, ich bin’s, also ich

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