Himmel der Suende
der Bewegung eingefroren.
So verharrte sie einen Ewigkeiten erscheinenden Moment ... bis sie sich schließlich nicht mehr halten konnte und doch erzitterte und der gestockte Atem sich in einem lauten Schrei befreite.
Noch mehr Punkte tanzten vor ihren Augen. Sie atmete schwer und wartete, bis sich ihr getrübter Blick gleich wieder klarte, so wie er das immer nach nur wenigen Sekunden tat.
Nur dieses Mal nicht.
Irgendetwas stimmte nicht.
Ganz und gar nicht.
Statt dass die vor ihren Augen tanzenden Punkte allmählich weniger wurden, wurden es immer mehr, aber zu den roten und goldenen hatten sich jetzt auch graue gesellt ... und schwarze. Außerdem wurde ihr schwindelig, und es war nicht die leichte Orientierungslosigkeit, die sie fast immer verspürte, kurz nachdem sie gerade gekommen war. Es war so viel heftiger als sonst. So dass ihr sogar davon schlecht wurde.
Um den Kopf zu heben, musste sie alle Kraft aufbringen, die aufzubringen sie in der Lage war, und ihr Blick suchte Axel. Aber auch der sah plötzlich fürchterlich schlapp und erschöpft aus. Er rieb sich die Augen und schüttelte den Kopf, so als wollte er eine lästige Mücke verscheuchen. Sie wollte ihn ansprechen, aber ihre Zunge war plötzlich schwer wie Blei.
Da sah sie, wie jemand das Bad betrat.
Es waren Sam’Yaza und Theia - begleitet von vier der Suburi, die anders als bei dem Empfang plötzlich schwer bewaffnet waren.
Theia lächelte kalt und trat um das Bad herum an Maggie heran. Maggie merkte, wie sie sie am Kinn berührte, um den Kopf festzuhalten, und ihr nacheinander beide Augenlider anhob.
„Ihre Pupillen sind so groß wie Münzen“, sagte die Elohim über die Wanne hinweg zu Sam’Yaza. „Das Gift wirkt.“
„Ausgezeichnet“, hörte Maggie Sam’Yaza sagen. „Bringt sie ins Verlies!“
Die vier Wächter kletterten in die Wanne und zogen sie und Axel daraus hervor. Maggie wollte protestieren, sich wehren, aber ihr Körper reagierte nicht.
Dann wurde alles schwarz.
Smolensk am Dnjepr: im neunten Jahrhundert von den ursprünglich aus Schweden stammenden Rus als Werft für ihre Drachenschiffe gegründet und seither in mehr als zwölfhundertjähriger Stadtgeschichte unzählige Male zerstört. Von den Mongolen, den Litauern, den Polen, den Franzosen und den Deutschen - und doch immer und immer wieder aufgebaut. Ein Paradebeispiel russischer Loyalität und fast schon an Sturheit grenzender Geduld. Hier, im Derzhava Hotel in der Kashenastraße, machten Anya, Sergej und Man’El ihre erste Rast. Man’El hatte vorgeschlagen, Sergej am Steuer abzulösen und ohne Pause nach Kiew zu fahren, weil er keinen Schlaf brauchte und eine Rast außerdem für keine sehr gute Idee hielt, aber Sergej traute ihm nach wie vor nicht und hatte davon nichts wissen wollen. Auch Anya war, obwohl sie im Auto geschlafen hatte, froh, endlich wieder ein echtes Bett unter sich zu haben. Eines, das nicht vom Wellengang schwankte oder von der Fahrt ruckelte. Man’El hatte darauf bestanden, dass sie sich zu dritt ein Zimmer teilten, damit er besser über sie wachen konnte. Aber auch davon hatte Sergej nichts wissen wollen. Anya auch nicht.
Sie stand unter der Dusche und ließ das weiche, warme Wasser den Dreck der Reise und des Überfalls abspülen. Es störte sie nicht, dass Sergej im Türrahmen stand und sie betrachtete. Im Gegenteil. Jetzt, da sie wusste, dass nicht nur ihr Anblick ihn anmachte, sondern er sie liebte, empfand sie sein Stehen dort als süßes Kompliment. Sobald auch er geduscht haben würde, würde sie ihn nach allen Regeln der Kunst verwöhnen, um sich auf ihre Weise für seine Zuneigung und seine Fürsorge zu bedanken ... und für die Bereitschaft, sein eigenes Leben für das ihre zu opfern.
Am liebsten hätte sie ihn schon jetzt darum gebeten, mit ihr unter die Dusche zu kommen, aber sie wusste, dass er ablehnen würde, weil er auf sie aufpassen wollte. Trotz der verrückten Dinge, die geschehen waren, hatte Anya sich noch nie so behütet gefühlt. Vor allem von Sergej - aber nicht nur. Ihre Gedanken schweiften ab zu Man’El, der das Nachbarzimmer genommen hatte. Was, wenn er wirklich die Wahrheit gesagt hatte? Was, wenn er wirklich ihr Gefährte war? Ihr Mann? Und das schon seit Millionen von Jahren? Wie konnte sie sich dann so sehr in Sergej verlieben? War wahre Liebe nicht stärker als ein verlorenes Gedächtnis?
Vielleicht war das ja die Antwort - und unterstrich ihre Vermutung: Man’El irrte sich, verwechselte sie. Denn Anya
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