Himmel der Suende
Silber.
„Axel“, versuchte sie es noch einmal, aber noch immer regte er sich nicht. Sie beschloss zu warten, bis er von selbst wieder aufwachte. Dafür konzentrierte sie sich auf ihre eigenen Ketten und versuchte die Hände aus den Schellen zu ziehen. Doch die waren so eng geschmiedet, dass sie ihre Handgelenke genau umschlossen und keinen Raum boten, aus ihnen herauszuschlüpfen. Selbst wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre, sich selbst den Daumen zu brechen oder ihn auszurenken, wären sie noch zu schmal. Also versuchte sie es mit Reißen - vielleicht war ja eines der Glieder, an denen die Schellen angebracht waren, schwächer als die anderen und würde sich bei wiederholter Belastung aufbiegen lassen.
Nach endlosen Minuten und Versuchen aber hatte sie nichts erreicht, außer dass ihre Arme und ihre Schultern höllisch schmerzten, ihr Puls raste und ihre Handgelenke von den Schellen aufgescheuert und blutig waren.
Da hörte sie etwas.
Zuerst dachte sie, das Geräusch stammte von Axel, aber ein einziger Blick genügte, um festzustellen, dass er sich kein Stück bewegt hatte. Nein, das Geräusch kam von jenseits der Gittertür, und schon nach wenigen Momenten erkannte sie, dass es Schritte waren. Schritte, die sich näherten. Es war mehr als nur eine Person.
Ohne sagen zu können, warum sie das tat, stellte Maggie sich bewusstlos und ließ den Kopf so hängen, dass sie mit vorgetäuscht geschlossenen Augen aus dem einen Augenwinkel heraus die Tür im Blick halten konnte.
Es waren Sam’Yaza, Theia und zwei ihrer Suburi - die beiden, die Axel und sie über dem See empfangen und hierher eskortiert hatten. Leguan und Eber. Der Leguan fuhr mit einer Kralle über das Türschloss, das daraufhin kurz aufleuchtete, und die Tür schwang wie von selbst mit einem lang gezogenen Quietschen nach innen auf. Der Leguan trat zur Seite und ließ Sam’Yaza und Theia den Vortritt.
„Sie ist noch immer besinnungslos“, sagte Sam’Yaza mit Blick in Maggies Richtung.
„Nein“, erwiderte Theia mit einem süffisanten Lächeln. „Sie tut nur so.“
Sam’Yaza trat an Maggie heran und nahm ihr Kinn in seine große Hand, um ihren Kopf anzuheben.
„Stimmt das, was sie sagt, Menschenfrau?“, fragte er. „Spielst du uns etwas vor? Falls ja, solltest du wissen, dass ich all meine Geduld in den vergangenen Jahrtausenden bis zum letzten Rest aufgebraucht habe. Und jetzt habe ich weder die Nerven noch die Zeit, dumme, infantile Spiele mit mir spielen zu lassen. Verstehst du das?“
Maggie blieb ihrer Rolle treu und ließ den Kopf weiter hängen, so gut dies in der starken Hand überhaupt möglich war.
„Lass es mich anders formulieren“, sagte Sam’Yaza. „Es mag sein, dass du dir einbildest, alle Schmerzen ertragen zu können. Aber es geht gar nicht darum, ob du dir dabei etwas vormachst oder wirklich so hart bist, wie du glaubst. Die wirklich entscheidende Frage ist vielmehr, ob du in der Lage bist, seine Schmerzen zu ertragen, wenn du nicht kooperierst.“ Er deutete auf Axel.
Der Subur mit dem Eberkopf hielt plötzlich eine aus Silber geschmiedete, langstielige Zange in der Hand und stellte sich neben Axel. Er legte die Greifer der Zange an Axels linkes Ohr.
„Solange Azazel in diese Ketten geschmiedet ist“, sagte Sam’Yaza, „ist er in seiner menschlichen Form gefangen. Er behält zwar seine Unsterblichkeit und auch seine Fähigkeit der körperlichen Regeneration - aber er ist schwach und verletzbar ... und er fühlt Schmerzen genau wie du. Also, überlege dir gut, ob du mich wirklich auf die Probe stellen willst.“
Maggie schlug die Augen auf und hob den Kopf. Sie legte all die Verachtung in ihren Blick, die sie für den Roten empfand.
„Was wollt ihr von uns?“, fragte sie.
„Schon besser“, sagte Sam’Yaza, ließ ihr Kinn los und trat einen Schritt zurück.
„Wir haben euch nichts getan“, sagte Maggie. „Lasst uns gehen.“
„Ich fürchte, ganz so einfach wird das nicht sein“, sagte Theia.
„Spielt es wirklich eine so entscheidende Rolle, ob Axel an eurer Seite kämpft oder nicht?“, fragte Maggie. „Oder habt ihr Angst, dass er als Einzelner euren Plan gefährden könnte?“
„Oh, das könnte er durchaus“, sagte Sam’Yaza, und er schien darüber gar nicht glücklich zu sein. „Die Loyalität meiner Gefolgsleute ist recht, sagen wir einmal, schwach, wenn nicht gar wechselhaft. Sie haben Azazel schon immer mehr geliebt als mich, und wenn er mir meinen Platz streitig machen
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