Himmel der Suende
Augen zu schmalen Schlitzen zusammenzogen.
„Vergiss nicht, mit wem du sprichst, Engel“, sagte sie mit tiefer und drohender Stimme.
Doch Sam’Yaza zeigte sich unbeeindruckt.
„Kennst du einen besseren Weg, ihr die Schlüssel zu entreißen?“, fragte er herausfordernd.
Sie holte tief Luft, sagte aber nichts.
„Siehst du“, sagte er. „Also machen wir es auf meine Weise. Du kannst gerne zuschauen.“
Theia verzog angewidert die Lippen, drehte sich herum und verließ den Thronsaal ohne ein weiteres Wort.
„Umso besser“, sagte Sam’Yaza zu sich selbst und wandte sich dann wieder Anya zu. „Nun also zu dir, Täubchen.“
Sein Blick senkte sich in den ihren.
„Du wirst mir gehorchen“, sagte er eindringlich, und sie spürte, wie sein Blick Macht über sie ergriff. „Du wirst tun, was ich sage, wenn ich es sage. Hast du das verstanden?“
Obwohl sie es nicht wollte, nickte sie.
„Ich werde dich von den Ketten befreien, und du wirst weder versuchen, dich gegen mich zu wehren, noch versuchen, mich anzugreifen oder auf andere Weise zu überwältigen. Ist das klar?“
Wieder strengte sie sich an, sich zu wehren, doch wieder nickte sie nur.
„Und du wirst nichts tun, wenn ich es dir nicht sage“, ergänzte er. „Nicht das Geringste. Bist du dazu bereit?“
Das war Anya nicht, aber sie nickte ein drittes Mal.
Sein Blick wurde zufrieden.
Er erhob sich und machte eine Geste mit der Hand. Die Ketten fielen von ihr ab. Doch statt aufzuspringen und ihm das Gesicht zu zerkratzen, wie sie es gerne getan hätte, blieb sie regungslos liegen.
„Steh auf“, befahl er.
Während sie versuchte, die Schmerzen in ihren Muskeln und dort, wo er sie getreten hatte, zu ignorieren, erhob sie sich umständlich auf die Füße. Jetzt, da die Ketten verschwunden waren, spürte sie wieder, dass sie noch immer so nackt war wie unter der Dusche in Smolensk. Dass Sam’Yaza sie lüstern anstarrte, ekelte sie an, aber sie war nicht dazu in der Lage, die Hände zu bewegen, um ihre Brüste oder ihre Scham zu bedecken.
„Dreh dich einmal um die eigene Achse“, ordnete er an, ganz als hätte er den Ekel in ihren Augen gelesen.
Sie tat, was er gesagt hatte.
„In deiner Unschuld bist du noch schöner als früher“, sagte er. Doch es klang wenig schwärmerisch, vielmehr lauernd ... drohend. „Dein ganzes Leben hast du damit zugebracht, mich und die meinen von unserem Zuhause fernzuhalten. Wie fühlt es sich an, jetzt ausgerechnet diejenige zu sein, die uns die Schlüssel zur Festung aushändigt?“
„Ich fühle nichts“, antwortete sie gehorsam und wahrheitsgemäß. „Nichts dergleichen. Ich weiß nichts von den Dingen, von denen du sprichst.“
„Du wirst dich früh genug erinnern“, sagte er. „Genau in dem Moment deines Untergangs. Für einen einzigen Herzschlag lang. Aber ich werde dafür sorgen, dass sich dieser Herzschlag für dich wie eine ganze Ewigkeit anfühlen wird. Eine Ewigkeit der Qualen. Als Strafe dafür, dass du dich als Werkzeug gegen deine eigenen Brüder und Schwestern hast missbrauchen lassen und so viele von uns vernichtet hast. Als Strafe für all die Jahrhunderte, die wir, die den Großen Krieg überlebt haben, in Furcht und Schrecken, versteckt im Schlamm und in Höhlen, leben mussten.“
„Du wirfst mir Taten vor, die ich nie begangen habe“, begehrte sie auf.
„Du erinnerst dich nur nicht mehr daran“, sagte er. „Das macht dich nur in deinen eigenen Augen schuldlos, Ani’El. Denn ich erinnere mich an alles. An jede Einzelheit. Im Auftrag unserer gemeinsamen Herrscher sollten wir die Erde und die Menschheit beschützen vor Luzifer und ihren Abtrünnigen. Wir sollten die Schöpfung bewahren und ihre Schönheit. Doch dein Herr nutzte das Chaos, um seinen Brüdern und Schwestern die Macht zu entreißen, um sich zum alleinigen Gott zu erheben. Indem wir die Menschheit auch vor ihm und seiner Diktatur zu beschützen suchten, erfüllten wir nur unseren Schwur. Wir taten nur das, wozu wir ausgesandt worden waren. Und das hat uns nicht nur in den Himmeln, unserer Heimat, zu Geächteten gemacht, sondern in den Augen all der Menschen, die nach der Großen Flut geboren wurden, mit Luzifers Rebellen gleichgesetzt. Und das, obwohl nicht wenige von uns ihr Leben und alle von uns ihre Freiheit gegeben haben für diese unwürdigen, haarlosen Affen. Und es ist mir scheißegal, ob du dich daran erinnerst oder nicht; ich werde meine Rache nehmen ... und die Schlüssel.“
Mit den letzten
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