Himmel uber Langani
eine Weile dauern. Kannst du gehen, wenn ich dich stütze?«
Als er nickte, half Piet ihm auf die Füße. Lars stöhnte vor Schmerz auf und konnte das Gleichgewicht nicht halten. Die Kugel hatte ihm das Hemd zerfetzt, und unterhalb seiner rechten Schulter sickerte Blut hervor. Hannah betete, dass die Verletzung nicht allzu schwer war. Mit quälender Langsamkeit schleppten sie sich die Stufen hinauf ins Wohnzimmer, wo Sarah bereits einige Becken mit heißem Wasser und einen Stapel Tücher vorbereitet hatte.
»Mwangi und Kamau sollen das restliche Anwesen und die Arbeitersiedlung überprüfen. Wo ist Camilla?«
»Im Bad«, erwiderte Sarah. »Sie hat eine große Schnittwunde auf der Stirn. Ich kann nicht sagen, wie tief sie ist, weil sie noch blutet. Bestimmt muss sie genäht werden. Ich habe ihr geraten, Gaze und Watte darauf zu tun und sich hinzulegen. Sie war kurz vor dem Umkippen.«
Rasch betteten sie Lars aufs Sofa und polsterten alles mit Kissen und Handtüchern aus. Sein Gesicht war aschfahl, seine Lippen hatten sich bläulich verfärbt.
»Holt eine Schere«, befahl Hannah. »Wir müssen ihm das Hemd aufschneiden und die Blutung stillen. Außerdem braucht er etwas gegen den Schock und die Schmerzen. Piet, in meinem Badezimmer steht ein Erste-Hilfe-Kasten. Wenn sie den nicht auch geklaut haben.« Sie begann zu schneiden.
»Er zittert«, stellte Piet fest. »Wir müssen ihn unbedingt wach halten, damit er nicht in einen Schockzustand fällt. Die Murrays haben einen kleinen Flugplatz. Vielleicht kann man Lars ja noch heute Nacht nach Nairobi bringen.«
»Lars? Lars, mach die Augen auf. Sag etwas. Das ist zwar nicht sehr schön, aber du musst jetzt ein tapferer Junge sein.« Hannah wusste, dass diese Worte für einen Mann, der bei jedem Atemzug vor Schmerz zusammenzuckte und mit dem Brechreiz kämpfte, wie blanker Hohn klingen mussten. Sie reinigte die Umgebung der Einschussstelle, rollte eines der Handtücher fest zusammen und presste es so kräftig wie möglich auf die Wunde, um die Blutung zu stillen. Als er einen Schrei ausstieß, beugte Hannah sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Dann legte sie ihm einen strammen Verband um Brust und Schulter an und machte dabei beruhigende Geräusche, als wäre sie seine Mutter und er ein krankes Kind.
Der Erste-Hilfe-Kasten stand noch in Hannahs Badezimmer, und Sarah durchwühlte ihn hastig. »Morphium – vermutlich werden wir das brauchen. Und Beruhigungsmittel.«
Camilla saß auf einem Hocker vor dem Waschbecken und versuchte, die Blutung auf ihrer Stirn zu stoppen. Zwar presste sie sich einen Gazestreifen auf die lange Wunde, aber ihre Hände zitterten so sehr, dass sie ihn nicht festhalten konnte. Plötzlich beugte sich sich vor und übergab sich ins Waschbecken.
»Leg dich hin und beweg dich nicht.« Sarah half ihr in Hannahs Bett. »Hier ist ein sauberer Verband. Drück ihn fest auf die Wunde, damit es aufhört zu bluten. Und rühr dich nicht vor der Stelle. Du kannst uns sowieso nicht helfen. Piet und Hannah kümmern sich um Lars. Und bald kommt Simon zurück und bringt Hilfe. Also ruh dich einfach aus.«
»Wird Lars wieder gesund?«
»Hoffentlich. Er verliert noch immer Blut und steht unter Schock. Wir wissen nicht, wie schwer er verletzt ist, aber meiner Ansicht nach muss er dringend in ein Krankenhaus.«
Camilla legte sich aufs Bett und streichelte das weiche Fell von Hannahs karross , um die Angst zu verscheuchen, die sie unerbittlich im Griff hielt. Die Wunde war tief, und sie wusste, dass sie genäht werden musste. Sicher würde sie eine Narbe zurückbehalten, die quer über ihre Stirn verlief. Womöglich würde sie ihr Gesicht ruinieren und das Ende ihrer Modelkarriere bedeuten. Eine plastische Operation musste her. War das in Nairobi überhaupt möglich, oder musste sie dafür umgehend nach London zurückkehren? Aber das spielte im Moment keine Rolle. Das Wichtigste war, dass sie alle noch lebten. Camilla versuchte sich zu beruhigen, aber der Gestank nach Gewalt und Blut hatte sich in ihrer Nase festgesetzt. Immer noch sah sie die Männer vor sich, wie sie ins Wohnzimmer stürmten, und das Aufblitzen der Klinge, die auf ihre Augen zusauste. Eine ohnmächtige Angst hatte sie ergriffen, als der erste Schuss gefallen war. Sie hatte schon befürchtet, dass Piet nicht mehr lebte. Während sie nun auf dem Bett lag, zitterten ihre Beine, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Aber Piet war nicht tot, und sie sprach ein Dankesgebet in ihrer
Weitere Kostenlose Bücher