Himmel uber Langani
aller Namen. Dann hielt sie sich ruhig, bis ihr Kopf sich nicht mehr drehte und sie annahm, dass die Blutung aufgehört hatte. Schließlich setzte sie sich langsam auf. Es war besser, wenn sie zu den anderen ins Wohnzimmer ging, denn sie wollte nicht mehr allein sein – und zwar nie wieder im Leben.
Kapitel 14
Kenia, September 1965
H annah war verstört und zornig. Böse Menschen waren ohne einen für sie erkennbaren Grund in ihr friedliches Zuhause eingedrungen. Sie vermisste die Hunde, die abends stets zu ihren Füßen gelegen und mit ihren weichen Schnauzen an ihrer Hand geschnuppert hatten. Am Tag nach dem Überfall hatten sie die Tiere in der Nähe des Tores gefunden, das von Lotties Garten ins offene Terrain führte. Man hatte ihnen die Kehlen durchgeschnitten, doch an den glasigen Augen und den grausig heraushängenden Zungen war zu erkennen, dass sie zuvor vergiftet worden waren. Schweigend hatte Piet eine Schaufel genommen und die Hunde beerdigt. Dann war er losgegangen, um den watu Anweisungen für den Tag zu geben, während Hannah ein paar Kleidungsstücke in einen Koffer stopfte. Piet hatte ein kleines Flugzeug gemietet, um Lars nach Nairobi ins Krankenhaus zu bringen. Die Mädchen sollten ihn begleiten. Der Abschied von Langani hatte nicht lang gedauert. Camilla war leichenblass und hatte mörderische Kopfschmerzen, Sarah wirkte wie unter Schock und sprach kaum ein Wort, und Hannah versuchte, nur an Lars und nicht an den Übergriff auf ihr Zuhause zu denken. Als sie sich am folgenden Abend im Garten des Hotels Norfolk versammelten, um einander Lebewohl zu sagen, war Hannah in Tränen ausgebrochen. Ihre allzu lange aufgestaute Trauer ließ sich nicht mehr zurückdrängen.
»Tut mir Leid«, sagte sie schließlich und wischte sich die geschwollenen Augen ab. »Aber ich habe solche Angst. Ich traue mich nicht mehr nach Hause und weiß nicht, was ich tun soll. Wie albern und feige von mir!«
Arm in Arm standen sie da, redeten einander gut zu und versprachen, sich bald wieder zu treffen. Dann straffte Hannah die Schultern, zog sich in die Hütte zurück, die sie miteinander geteilt hatten, und schloss die Tür. Sie wollte nicht mit ansehen, wie die anderen davonfuhren. Anschließend verbrachte sie noch einige Tage in Nairobi, um in Lars’ Nähe zu sein, denn dieser musste sich von der Operation erholen. Wieder zu Hause, wünschte sie sich zurück an sein Krankenbett und hielt es kaum in ihrem eigenen Wohnzimmer aus. Die Angst drohte die Liebe zu ihrem Heim zu ersticken.
Die Rückfahrt nach Langani war in angespannter Stimmung verlaufen. Piet hatte darauf bestanden, sie abzuholen. Mit gezwungener Munterkeit pfiff er durch die Zähne, während sie nach Norden fuhren. Allerdings beobachtete er seine blasse Schwester, die stumm dasaß und aus dem Fenster starrte, mit zunehmender Besorgnis. Auf der Farm angekommen, stieg Hannah aus dem Wagen und begrüßte die Angestellten. Sie war fest entschlossen, mutig zu sein. Seite an Seite mit Piet würde sie alles tun, um ihr Erbe zu verteidigen. Ebenso wie ihre Urgroßeltern, ihre Großeltern und Jan und Lottie würde sie für ihr Zuhause und ihr Land kämpfen, auch wenn sie nicht wusste, ob sie den Anforderungen gewachsen sein würde. Sie ballte die Fäuste und betete um Standhaftigkeit.
Im Büro blätterte sie die aufmunternden Briefe von Freunden und Nachbarn durch, beantwortete einige davon und bezahlte ein paar dringende Rechnungen. Alle Zeitungen hatten von dem Überfall berichtet. Sie las die Artikel und heftete sie ab. Anschließend packte sie ihren Koffer aus und ging ins Wohnzimmer, wo Piet sie schon erwartete. Hannah setzte sich zu ihm und begann sogleich, über anstehende Erledigungen zu reden, um bloß keine Stille aufkommen zu lassen. Sie versuchte, nicht auf die Pistole auf dem Tisch neben ihrem Lehnsessel und auf das Gewehr zu achten, das an der Wand lehnte. Die Türen, die hinaus auf die Veranda führten, waren verschlossen, sodass die gewohnten abendlichen Geräusche und Gerüche nicht mehr in den Raum wehen konnten. Die Atmosphäre im Zimmer war bedrückend, und dort, wo Lotties Bilder und Dekorationsgegenstände gewesen waren, klafften nun Lücken. Sie erschienen Hannah wie leere Augenhöhlen.
»Morgen bekommen wir wieder Besuch von der Polizei«, sagte Piet. »Jeremy Hardy möchte alles noch einmal mit uns durchgehen. Inzwischen sind alle Mitarbeiter vernommen worden. Hardy hat noch immer den Verdacht, dass die Täter einen persönlichen
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