Himmel uber Langani
Groll gegen uns hegen oder einer radikalen politischen Gruppe angehören.«
»Das kann keiner unserer watu gewesen sein«, protestierte Hannah. »Alle haben Angst, das spüre ich ganz genau. Simon fürchtet, dass die Kerle zurückkommen könnten, und da ist er nicht der Einzige. Es würde mich nicht wundern, wenn er sich aus dem Staub macht.«
Bei dem Versuch, mit dem Auto Hilfe zu holen, hatte Simon einen Schlag auf den Kopf abgekriegt und eine Weile bewusstlos im Büro gelegen. Als der erste Schuss fiel, war er wieder zu sich gekommen und hatte mit einem Briefbeschwerer die Scheibe der Verandatür zertrümmert. Dabei hatte er sich Schnittwunden an den Händen zugezogen. Seit der tragischen Nacht sprach er kaum ein Wort, und sein sonst so fröhliches Gesicht wirkte fahl und furchtsam.
»Han, ich weiß, wie hart das alles für dich ist«, meinte Piet. Sie gab sich große Mühe, ihre Angst zu verbergen, doch ihm entging nicht, dass sie beim kleinsten Geräusch zusammenzuckte und ständig zwischen Tür und Fenster hin und her blickte. Ihre Hände umklammerten die Armlehnen des Sessels, den sie umgestellt hatte, um nicht mit dem Rücken zur Küchentür zu sitzen. »Lass uns Ma anrufen. Es wäre sicher gut, mit ihr zu reden.«
»Tut mir wirklich Leid. Wir müssen das einfach durchstehen«, meinte sie, beschämt über ihre eigene Schwäche. »Kümmere dich nicht um mich. Es ist meine erste Nacht zu Hause, und ich muss mich daran gewöhnen, dass hier etwas Schreckliches geschehen ist. Ich muss einen Weg finden, es zu vergessen.« Sie hielt inne. »Was hast du gerade gesagt?«
»Han, seit dem Überfall habe ich nicht mehr mit Ma und Pa gesprochen. Während du in Nairobi warst, habe ich es zwei Mal probiert, doch bei ihnen hat sich niemand gemeldet. Dann habe ich beschlossen, dass diese schlechte Nachricht auch noch ein wenig warten kann. Jetzt sollten wir es ihnen erzählen und sie fragen, ob sie nach Hause kommen wollen.«
Sie sah ihn an und stieß dann einen Jubelruf aus. Als er sie in den Arm nahm, waren beide den Tränen nahe.
»Ja, das wünsche ich mir mehr als alles andere.« Hannah kramte ein Taschentuch hervor. »Lass uns sofort anrufen.«
»Wir werden es schaffen, Schwesterherz.« Piets Stimme klang zuversichtlich. »Das kriegen wir schon hin.«
Dankbar sah sie ihn an, doch im nächsten Moment schlug sie die Hand vor den Mund. »Und Lars?«
»Da die Lodge bald eröffnet, werden wir ihn auf der Farm brauchen. Hoffentlich will er bleiben.«
Als Lottie an den Apparat ging, berichtete Piet ihr ausführlich von der albtraumhaften Nacht.
»Gott sei Dank ist dir, Hannah und Sarah nichts geschehen. Aber Camilla – das arme Mädchen hatte in seinem kurzen Leben bis jetzt nichts als Pech«, meinte Lottie. »Und dann auch noch Lars, der so viel für uns getan hat. Es sind schwere Zeiten, Piet.«
»Ma? Wann kommt ihr nach Hause?« Hannah riss ihrem Bruder den Hörer aus der Hand. »Ich kann es kaum erwarten.«
Lottie erkannte die Verzweiflung in der Stimme ihrer Tochter. »Hannah, ich kann jetzt nicht kommen. Dein Vater fühlt sich nicht wohl, und ich darf ihn nicht allein lassen.«
»Damit meinst du sicher, dass er die ganze Zeit betrunken ist.« Hannah spürte, wie Bitterkeit in ihr aufstieg.
»Es tut mir Leid, Hannah. Er versucht sein Bestes, aber es ist nicht leicht hier. Außerdem nörgelt Kobus ständig an ihm herum, was alles noch viel schlimmer macht. Also muss ich momentan bei ihm bleiben. Vielleicht geht es ihm zu Weihnachten ja gut genug, dass wir beide kommen können.«
»Aber ich brauche dich jetzt! Bin ich denn gar nicht wichtig? Oder willst du mich für den Rest meines Lebens dafür bezahlen lassen, dass ich weggelaufen bin und dich mit ihm allein gelassen habe? Bitte komm nach Hause, Ma.«
»Oh, Hannah.« In Lotties Stimme schwang abgrundtiefe Erschöpfung mit. »Du musst das verstehen und noch eine Weile allein durchhalten. Manchmal geht es eben nicht anders.«
»Du kannst dir gar nicht vorstellen, welche Stimmung nach dem Überfall hier herrscht. Außerdem wissen wir nicht, ob und wann die Kerle wieder zuschlagen.«
»Ich komme, sobald es geht. Auch für mich ist das nicht leicht. In letzter Zeit geschehen schlimme Dinge in diesem Land. Meistens bin ich allein im Haus. Glaube mir, ich wäre lieber auf Langani.« Lotties Stimme zitterte, es klang fast wie ein Schluchzen. »Doch ich denke jeden Tag an dich und an Piet. Ich liebe euch.«
Ein Klicken in der Leitung, und das Gespräch war zu
Weitere Kostenlose Bücher