Himmel uber Langani
Mike jetzt wohnt, nicht mehr im Haus wie früher. Aber er kommt zurück. Er möchte, dass wir mit ihm Tee trinken.«
Als Lars nach Langani zurückkehrte, konnte Sarah zum ersten Mal wieder durchschlafen. Am Morgen war sie sicher, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen war, um sich auf den Weg nach Buffalo Springs zu machen. Sie sehnte sich danach, die Elefanten zu beobachten, wie sie durch die verdorrte und doch wunderschöne Landschaft im Norden zogen, ihren Spuren durch das Dornengebüsch zu folgen und zuzusehen, wie sie im Gänsemarsch auf die blau schimmernden Berge in der Ferne zusteuerten. Hier auf der Farm würde es erst Frieden geben, wenn Simon ergriffen und vor Gericht gestellt war, und sie konnte nichts tun, um diesen Vorgang zu beschleunigen. Sarah blickte hinauf zum blauen Himmel und nahm all ihren Mut zusammen, denn sie hatte ihn bitter nötig, wenn sie ihren Entschluss in die Tat umsetzen wollte.
»Ich werde den Großteil des Tages unterwegs sein«, sagte sie zu Mwangi. »Richte Memsahib Hannah aus, dass ich erst abends zurückkomme.«
Mit zitternden Händen ließ sie den Wagen an und fuhr los. Der Weg war eine Weile nicht benutzt worden, sodass durch die Regenfälle ein Zickzackmuster aus Rissen entstanden war. Da die Böschung abbröckelte, spritzten Sand und kleine Steinchen unter den Reifen hervor, als das Auto sich den Berg hinaufkämpfte. Zweige schrammten an den Türen, und das Quietschen von Dornen auf der Karosserie jagte Sarah eine Gänsehaut über den Rücken. Oben angekommen, parkte sie den Wagen und machte sich keuchend an den steilen Anstieg, während die Sonne grell herunterbrannte. Auf dem Gipfel blieb sie stehen, wischte sich den Schweiß von der Stirn und betrachtete die Ebene, über der Wolken schwebten.
Sarah setzte sich auf den Felsen, wo sie sich an Piet gelehnt hatte, und ließ den Blick über sein geliebtes Reich schweifen. Um sie herum sangen Vögel, und Grashüpfer zirpten. Wo Piets Scheiterhaufen gestanden hatte, war der Boden noch dunkel verfärbt. Sie spürte überall Piets Gegenwart, und doch war er für sie unwiederbringlich verloren. Sarah fühlte sich, als nähme sie ihn mit jedem Atemzug in sich auf. Nun, da sie hier mit ihm allein war, wusste sie nicht, was sie sagen oder tun sollte. Vielleicht war es ja auch unnötig, nach den richtigen Worte zu suchen, denn er würde spüren, dass sie gekommen war, um sich von ihm zu verabschieden. Aber sie würde immer an ihn denken. Nun würden sie nicht miterleben, wie ihre Kinder in dem Land aufwuchsen, das ihre Heimat und ihr Erbe werden sollte. Sie würden nicht zusammen alt werden, ohne sich an den Falten, den Gedächtnislücken oder der zunehmenden Gebrechlichkeit des anderen zu stören.
Nach einer Weile legte Sarah sich in die Sonne und schloss die Augen. Sie fürchtete sich nicht vor den wilden Tieren, obwohl es durchaus möglich war, dass sie aus dem umliegenden Dickicht von einem gut getarnten Dikdik oder einem Buschbock beobachtet wurde. Doch sie würden ihr nichts tun, und die Raubtiere schliefen bei dieser Hitze. Außerdem würde Piet sie beschützen, da war Sarah ganz sicher. Kurz hörte sie den Klang seiner Stimme im Wind und sah im Spiel von Wolken und Sonnenlicht sein Gesicht. Dann herrschte Leere. Als sie wieder die Augen aufschlug und auf die Uhr sah, stellte sie überrascht fest, dass sie zwei Stunden lang geschlafen hatte. Eine steife Brise war aufgekommen, und am grauen Himmel rasten dunkle Wolken dahin, sodass es aussah, als würden die Bäume jeden Moment auf Sarah und ihren Felsen hinunterstürzen. Sie stand auf und strich ihre Kleider glatt. Dann ging sie hinüber zu der Stelle, wo sie ihn eingeäschert hatten.
»Ich muss jetzt fort«, flüsterte sie liebevoll und traurig. »Ich werde dich für eine Weile verlassen, obwohl ich noch nicht bereit dazu bin. Aber ich glaube, mir bleibt nichts anderes übrig. Es ist richtig so. Bitte achte auf Hannah und hilf ihr, Frieden zu finden. Ich weiß, dass du immer bei mir sein wirst, ganz gleich, wohin ich auch gehe. Also brauche ich mich nicht von dir zu verabschieden. Ich werde dich nie vergessen.«
Tränen traten ihr in die Augen, als sie eine Hand voll verkohlter Erde aufhob und sie in die Tasche steckte. Dann stolperte sie über den steilen Pfad davon und musste sich immer wieder an trockenen Dornenzweigen festhalten, um nicht zu stürzen. Beim Auto angekommen, spürte sie die ersten Regentropfen. Die Wolken hatten sich zusammengeballt, und ein
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