Himmel uber Langani
hatte. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Hatte sie ihn mit ihren literarischen Kenntnissen beeindrucken wollen, weil Camilla ihn einen Romantiker genannt hatte? »Ich werde ein paar Fotos schießen. Nur um den Mythos zu widerlegen, dass auf dem Film nichts zu sehen ist, wenn man Bilder von Gedi zu entwickeln versucht.«
Sie nahm ihre Kamera und ging auf einem der Pfade in den Wald hinein, wobei sie darauf achtete, eine andere Richtung als Piet einzuschlagen. Zuerst war ihr unbehaglich zu Mute, doch dann begann sie, Vogelstimmen nachzuahmen, und freute sich über die Reaktionen. Sie ging bis zur Grenze des verlassenen Dorfes, wo der Wald immer dichter wurde. Schließlich erreichte sie eine Lichtung, auf der zwei verfallene Gebäude nebeneinander standen. Davor befand sich ein großer Steinbrunnen.
Sie blieb stehen, als sie ein Prickeln im Nacken verspürte – so als würde jemand sie beobachten. Auf der Lichtung hing ein seltsamer Geruch in der Luft, süßlich und unangenehm, und sie vernahm ein Summen. Ohne nachzudenken, hatte sie sich ziemlich weit von dem Picknickplatz entfernt, also ging sie nun zögernd und vorsichtig weiter. Auf der anderen Seite des Brunnens war die Erde gerodet worden, und sie erblickte einen schwarzen Hügel, der sich hob und senkte, als sie sich ihm näherte. Als ihr der Geruch in die Nase stieg, begann sie zu würgen. Ein Schwarm Fliegen, vollgesogen und schwer, erhob sich wie ein fliegender Teppich in die Luft und enthüllte das Ding, an dem die Insekten sich gütlich getan hatten. Sie schrie auf.
Es war eine junge Ziege, am Boden angepflockt, den Bauch von einem Ende zum anderen aufgeschlitzt. Ihre Eingeweide glänzten, und ihr Blut sickerte in die Mulde im Boden, in die man sie gelegt hatte. Entsetzt begriff sie, dass das Tier noch am Leben war. Es rang nach Luft, sein Körper zitterte, und seine Augen wurden milchig, während langsam das Leben aus ihm entwich. Sarah starrte die Ziege an, dann wurde es dunkel vor ihren Augen. Mit einem Mal befand sie sich an einem anderen Ort, und die blutende, zitternde Kreatur auf dem Boden war ein hilflos stöhnender Mann, der sein Gesicht von ihr abwandte und sich verzweifelt mühte, den Blutstrom aus seinen Wunden einzudämmen. Ein Panda hatte seine Brust und seine Arme und Beine zerschnitten und seinen Bauch aufgerissen. Entsetzt schrie sie auf, als sich die blutigen Überreste seines Kopfes flehend zu ihr wandten. Dort, wo die Augen sein sollten, sah sie nur noch leere Höhlen.
Sie würgte und drehte sich um, um zu fliehen, aber die Beine versagten ihr den Dienst. Sie hörte, wie jemand auf sie zugelaufen kam, und spürte, wie Hände nach ihr griffen, während sie zu entkommen versuchte. Dann erkannte sie Piets Stimme, und ihr wurde bewusst, dass es Tim war, der sie stützte, als sie auf die Knie fiel und sich heftig übergab.
»Schon gut, altes Mädchen. Jetzt ist alles vorüber. Kein schöner Anblick, nicht wahr?« Tim hielt ihr den Kopf, während sie versuchte, von der Ziege zu erzählen.
»Es war grausig.« Piet kniete sich neben sie. »Ich habe das arme Ding von seinem Leiden erlöst.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob du das hättest tun sollen«, meinte Tim und warf einen Blick über die Schulter. »Dieser Wald ist ein geheiligter Ort. Hier finden oft Opferrituale statt. Um so etwas handelt es sich wahrscheinlich. Um den Teil eines Exorzismus oder eine ähnliche Zeremonie. Ein böser Geist wird von einem Menschen in eine Ziege versetzt, und dann wird das Tier geopfert – aufgeschlitzt, um die Macht des Geistes in geheiligtem Boden versickern zu lassen. Das Tier muss dabei lebendig bleiben, um auszubluten.«
»Igitt! Das ist barbarisch!« Bleich starrte Camilla auf die grausigen Überreste und wich zurück, als der Fliegenschwarm sich wieder erhob. »Kein Wunder, dass du dir die Seele aus dem Leib geschrien hast, Sarah! Ich wäre tot umgefallen.«
»Du solltest nicht allein im Busch herumspazieren.« Tim musterte das blasse Gesicht seiner Schwester und sah an ihren Augen, dass sie immer noch Angst hatte. »Hier gibt es auch Elefanten und den einen oder anderen Büffel, der nicht zögern würde, sein Revier zu verteidigen.«
»Ich denke, wir sollten uns auf den Weg machen.« Piet streckte die Hand aus, um ihr aufzuhelfen. »Die Leute, die das getan haben, werden wahrscheinlich zurückkommen. Du hast doch niemanden auf dem Pfad gesehen? Oder etwas gehört?«
Sarah erinnerte sich an ihr Unbehagen, als sie geglaubt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher