Himmel uber Langani
nicht wollte, dass sich ihr Gesicht vom Alkohol rötete. Als Camilla schließlich an den Tisch zurückkehrte, hatte sie einen jungen Mann mit hochhackigen Cowboystiefeln und Bluejeans im Schlepptau.
»Ich bin Baxter«, stellte er sich vor und lächelte Sarah an. »Camilla hat mir erzählt, du kommst aus Dublin. Ein guter Ort für Fotos und Drinks. Wie ich höre, fotografierst du gern.«
»Ja, ich schieße Fotos in der Stadt, aber im Trinken bin ich nicht so gut. Da fehlt mir die Ausdauer meiner Freunde.« Sarah freute sich, jemanden gefunden zu haben, der ihre Interessen teilte. Ihre übliche Schüchternheit verflog, als sie den Rest des Wodkas leerte. »Ich versuche gerade, eine Mappe mit Porträts zusammenzustellen – Gesichter in den Pubs, alte Damen im Park beim Entenfüttern, die Blumenverkäufer in der Moore Street. Wenn man Dublin kennt, hat man sie alle schon gesehen. Ich studiere Zoologie, und meine Kamera wird später bei meiner Arbeit sehr wichtig sein. Was für Bilder machst du?«
Sie bemerkte, dass Camilla die Augen verdrehte. Baxter warf den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus.
»Ich mache Aufnahmen von solchen Vögelchen wie deiner Freundin hier, in allen möglichen verrückten Klamotten. Das ermöglicht es mir, meine ganze Zeit mit schönen Frauen zu verbringen, und dafür werde ich sogar noch bezahlt. Manchmal gehen sie sogar mit mir ins Bett. Einen schöneren Beruf kann ich mir nicht vorstellen.«
Sarah wurde dunkelrot vor Scham, als sie begriff, dass sie mit David Baxter sprach, dessen Modeaufnahmen weltberühmt waren. Vor Verlegenheit wie betäubt, versuchte sie verzweifelt, etwas Kluges zu sagen, aber es wollte ihr nichts einfallen. Baxter schien das nicht zu bemerken, ebenso wenig wie die anderen, die allem, was sie seit ihrer Ankunft in London gesagt oder getan hatte, nicht die geringste Beachtung geschenkt hatten. Er bestellte Champagner und unterhielt sich mit Camilla über eine Fahrt aufs Land, wo er sie in einem Feld mit einigen verfallenen Gebäuden und wilden Pferden fotografieren wollte. Um sie herum war die Luft von Lärm und Rauch erfüllt. Immer mehr Leute tauchten auf und stellten sich in Dreier- und Viererreihen an die Bar. Einige Pärchen trugen Abendgarderobe, während andere Lederjacken, Jeans und Rollkragenpullover bevorzugten. Nach drei Stunden bekam Sarah Kopfschmerzen und sehnte sich nach einem Spaziergang auf den kühlen, feuchten Straßen zurück zur Wohnung. Doch Camilla zeigte keinerlei Anzeichen von Erschöpfung. Sie wirbelte mit ungebrochener Energie mit ihren Bekannten über die Tanzfläche, wechselte unbekümmert zu ihr wildfremden Tanzpartnern oder bewegte sich sogar allein zur Musik.
Es war bereits zwei Uhr morgens, als sie schließlich den Club verließen und nach Hause gingen. Die Straßen waren still, nur ab und zu ließ ein vorüberfahrendes Auto das Regenwasser aufspritzen. Camilla empfahl einen Schlaftrunk aus einigen Aspirin mit mehreren Gläsern Wasser, und Sarah fiel wie betäubt ins Bett.
Erst kurz vor Mittag wachte sie wieder auf. Als sie in die Küche taumelte, saß Camilla bereits am Tisch. Sie trug ausgefranste Jeans und ein blaues T-Shirt aus Voile, das deutlich ihre Brüste zeigte und erkennen ließ, dass sie keinen BH darunter trug. Sie hatte sie sich einen Schal wie einen Turban um den Kopf geschlungen, und ihr Gesicht war mit einer weißen Paste beschmiert, einer Art Feuchtigkeitsmaske, wie sie sagte.
»Hier ist Kaffee, und es gibt Obst, Joghurt und frisches Brot. Du wirst den ganzen Nachmittag hier bleiben müssen«, meinte sie mit einem schelmischen Funkeln in den Augen. »Um drei Uhr habe einen Fototermin. Also bist du das alleinige Empfangskomitee für Piet.«
»Nein! O nein, das kann ich nicht!« Panik überkam Sarah, und ihre Kehle war mit einem Mal so trocken, dass sie beinahe an dem Schluck Kaffee in ihrem Mund erstickt wäre. »Du kannst mich hier nicht allein mit ihm lassen.«
»Klingt nach einer wunderbaren Gelegenheit.«
»Nein. Ich kann ihn nur in Gesellschaft von anderen treffen, damit ich mich wieder an ihn gewöhnen kann. Aber allein – ich habe keine Ahnung, was ich zu ihm sagen soll.«
»Gar nichts«, schlug Camilla vor. »Leg einfach deine Arme um ihn, küss ihn auf den Mund und zieh ihn aufs Sofa. Damit sollte die Sache erledigt sein.«
»Mach dich nicht über mich lustig. Ich brauche Zeit – und ein wenig Zuneigung. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Meine Güte, Sarah. Du hörst
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