Himmel uber Langani
Reise sei. Schon früh am Morgen verließ Sarah die Wohnung, um ihre Bilder zur Post zu bringen. Bevor sie das Kuvert verschlossen hatte, hatte sie sich die Fotos noch einmal angesehen und festgestellt, dass sie noch besser waren, als sie am Abend zuvor gedacht hatte. Geduldig reihte sie sich auf dem Postamt in die lange Schlange ein und flüsterte ein letztes Gebet, bevor sie das Kuvert in den Briefkasten fallen ließ. Den Rest des Tages verbrachte sie in der Universitätsbibliothek und versuchte, sich auf die Diagramme zu konzentrieren, die sie sich einprägen musste. Schließlich gab sie den Kampf auf und machte sich auf den Heimweg. Obwohl sie sich danach sehnte, in die Wohnung zurückzukehren, fürchtete sie sich gleichzeitig, dass dort weitere schlechte Nachrichten auf sie warteten. Als sie ihre Tasche auf den Tisch stellte, klingelte das Telefon, und sie war überzeugt, dass es noch einmal ihre Mutter war.
»Ich habe dir einen Brief geschrieben«, sagte Camilla. »Ich weiß, das ist schon seit langem überfällig, und du findest wahrscheinlich, dass es eine feige Art ist, mit der Sache umzugehen. Deshalb wollte ich mit dir sprechen. Es tut mir sehr Leid, dass ich dich und Piet und alle so verletzt habe.«
»Du kannst die Menschen nicht immer nur für deine eigenen Zwecke benutzen, Camilla, nur weil in deinem Leben etwas schief geht.« Sarah brachte es nicht über sich, ihr Trost oder Mitgefühl zu spenden.
»Das ist mir klar. Wirklich. Irgendwie werde ich es wieder gutmachen. Bei dir und bei Piet. Offenbar schaffe ich es einfach nicht, mit meiner Mutter klarzukommen.« Ein langes Schweigen folgte, während Camilla auf eine Antwort wartete, die nicht kommen wollte.
»Ich erwarte einen wichtigen Anruf, deshalb muss ich jetzt auflegen. Lass uns ein anderes Mal darüber reden.«
»Oh. Ja gut. Nur noch ganz kurz: Ich möchte immer noch unsere Geburtstage in Kenia feiern, so wie wir es uns gelobt haben.« In ihren Worten schwang ein Ton mit, den Sarah nicht zu deuten wusste. Ein Flehen vielleicht, zumindest eine gewisse Dringlichkeit. »Ich möchte im Sommer zurückkehren, wenn es dir recht ist. Und Piet.«
In Sarah stieg Ärger auf. Das also war der wahre Grund für Camillas Anruf – sie wollte sich vergewissern, dass ihre Pläne für die Ferien noch aktuell waren.
»Was Piet sagt oder tun will, weiß ich nicht«, erwiderte sie. »Ich jedenfalls werde wohl nicht kommen können …«
»Nach unserem Aufenthalt an der Küste könnten wir alle für eine Woche in den Norden zum Campen fahren. Vielleicht in Samburu«, unterbrach Camilla sie. Ihre übliche gedehnte Sprechweise war verschwunden, und ihre Stimme klang atemlos und aufgeregt. »Wir könnten uns ein Zelt mieten und auf Safari gehen. Natürlich bräuchten wir einen Landrover und die Ausrüstung, aber Piet und …«
»Du hattest Kontakt zu Piet?« Der aufsteigende Groll drohte Sarah die Kehle zuzuschnüren.
»Nein, natürlich nicht. Aber ich muss dir etwas erzählen.«
»Das wird warten müssen.« Sarah schnitt ihr das Wort ab. »Im Augenblick bin ich mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Dad hatte einen schweren Malariaschub. Er liegt noch im Krankenhaus, und nach seiner Entlassung werden meine Eltern hierher kommen, damit er sich richtig erholen kann. Wir werden also von der Küste wegziehen.«
»Oh, Sarah, das ist schrecklich! Wie geht es deiner Mutter? Wie kommt sie damit zurecht? Meine Güte, gibt es irgendetwas, was ich für euch tun kann?«
»Es sieht so aus, als sei meine Reise gestorben, Camilla. Ich kann es mir nicht leisten, allein dorthin zu fahren, wenn Mum und Dad hier sind. Du sprichst also mit der falschen Person. Wende dich lieber direkt an Piet und Hannah – mit mir kannst du nicht rechnen.«
»Aber das wollte ich dir doch erzählen! Anthony Chapman war soeben in London und hat uns angeboten, Ende August ein Camp für uns bereitzustellen. Ich habe eine günstige Vereinbarung mit ihm getroffen, die ich mir ohne Probleme leisten kann. Das wird mein Beitrag zu unserer Geburtsfeier sein. Ich bin diese Woche für ein Fotoshooting bei Vogue gebucht, und man hat mir einen großen Auftrag in der Parfumwerbung angeboten. Daher bin ich im Moment recht gut bei Kasse. Ich würde dir auch gern dein Flugticket bezahlen, Sarah. Bitte – ich will das für dich tun. Für uns alle. Bitte denk darüber nach. Ich muss dir noch etwas erzählen, aber das kann warten. Jetzt mache ich besser die Leitung frei, aber ich werde dich in ein oder zwei Tagen
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