Himmel über dem Kilimandscharo
einzigen Zweck: » Wer auszieht, die Eingeborenen eines fremden Landes zum christlichen Glauben zu führen, der muss verstehen, was in ihren Köpfen vor sich geht, und mit ihren eigenen Worten zu ihnen reden können. Nur so und nicht anders kann Gottes heilige Botschaft in ihren Herzen Wurzeln schlagen …«
» Dann ist Ihre Gemeinde am Njassa-See wohl sehr groß?«
Er strich sich ein wenig verlegen über den schwarzen Kinnbart, seinem Lächeln war jedoch der Stolz auf den Erfolg abzulesen.
» Wenn wir in einigen Wochen in Peramiho ankommen, hoffe ich, dort bereits weitere bekehrte Heidenkinder anzutreffen. Unsere Arbeit ist mühsam und voller Rückschläge, aber dennoch sieht Gott der Herr mit Wohlgefallen auf unser Werk, Frau von Roden…«
» Seine Exzellenz wartet noch auf zwei junge Damen, ohne die er nicht weiterreisen mag«, stichelte Dr. Lott, der ordentlich gebechert hatte und sich darüber ärgerte, dass die junge Frau von Roden nur noch Augen für den Bischof hatte.
» Das ist richtig. In den nächsten Tagen werden zwei Missionsbenediktinerinnen aus Tutzing mit dem Küstendampfer hier eintreffen. Wir werden dann alle gemeinsam den langen Fußweg über Liwale bis hinüber nach Peramiho gehen…«
Das war die von ihm gegründete Gemeinde bei Songea– gut vierhundert Kilometer westlich von Kilwa, in der Nähe des Njassa-Sees.
» Na, hoffentlich sind die Damen gut zu Fuß!«, witzelte einer der beiden Feldwebel.
Charlotte bedauerte, dass sie sich der Gruppe nicht anschließen konnte, doch Naliene lag weiter nördlich, und außerdem wollte sie schon am nächsten Morgen aufbrechen, um ja keine Zeit zu verlieren.
» Darf ich Ihnen meinen Segen mit auf den Weg geben– auch wenn Sie die Enkelin eines Superintendenten sind?«, fragte der Bischof aus Tirol, als sie sich nach Stunden voneinander verabschiedeten. Seine Augen blickten sie dabei sehr ernsthaft an, und doch war sie fast sicher, dass der dunkle Vollbart einen heiteren Zug um seine Mundwinkel versteckte.
» Ich bitte Sie darum, Eure Exzellenz…«
Am folgenden Morgen hatte sie beim Frühstück einen harten Kampf mit Dr. Lott zu bestehen, der sie unbedingt in Kilwa zurückhalten wollte.
» Wozu wollen Sie drei Tage lang durch die Wildnis ziehen, um dann doch wieder hierher zurückzukehren? Bleiben Sie hier bei uns, bis Ihr Schwager und die Cousine eintreffen– so ist es doch beschlossen, oder nicht?«
» Ich bin nicht ganz sicher, Doktor. Möglicherweise ist das Kind schon geboren. Oder es lässt sich noch ein bis zwei Wochen Zeit…«
» Ich sehe schon«, knurrte er. » Sie langweilen sich hier bei uns. Nun, ich kann es Ihnen nicht verdenken. Nur Neger, Inder und Baumwolle, die in Bündeln auf die Schiffe verladen wird. Mit aufregenden Ereignissen und großen Heldentaten können wir nicht dienen, da müssen Sie sich an den Herrn Bischof halten…«
» Aber nein, ich fühle mich bei Ihnen herzlich aufgenommen. Aber ich habe meine Cousine sieben Jahre lang nicht gesehen und kann es kaum erwarten, sie wieder in die Arme zu schließen.«
Endlich hörte er auf, sie zu bedrängen, und bedauerte nur, sie nicht begleiten zu können. Er gab Charlotte vier Maultiere und zwei schwarze Begleiter mit auf den Weg. Beim Abschied hielt er seinen Tropenhelm mit dem Arm gegen die Brust gepresst und drückte ihr lange die Hand.
» In diesem Land kann ein Mann auf drei verschiedene Arten vor die Hunde gehen«, sagte er verdrießlich. » Die einen rafft das Fieber dahin, die anderen der Alkohol. Aber die übelste Art zu krepieren ist die Langeweile.«
Er lachte laut über seinen Witz, doch Charlotte sah ihm an, dass ihm im Grunde nicht zum Scherzen zumute war.
Je weiter sie ins Landesinnere ritten, desto drückender wurde die Hitze, denn es fehlte der kühle Küstenwind. Der Weg führte sacht bergan durch lichte Wälder und Steppengebiete, die wenigen Flussläufe, die ihnen zu Gesicht kamen, waren nahezu ausgetrocknet, nur in der Mitte des leeren Flussbettes suchte sich ein schlammiges Rinnsal seinen Weg zum Meer. Häufig begegneten ihnen kleine Gruppen von Trägern, die unter der Führung eines weißen Vorarbeiters schwere Warenballen auf ihren Schultern zur Küste schleppten. Baumwollpflanzungen dehnten sich zu beiden Seiten des Weges aus, darauf wuchsen halbhohe, dürre Büsche von grauer Farbe, auf denen die geöffneten Samenkapseln wie weiße Flöckchen hafteten. Zwischen dem Gestrüpp sah sie die Pflücker mit ihren Körben voller flauschiger,
Weitere Kostenlose Bücher