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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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nachts nicht aufhörte, zuerst als beängstigend empfunden, denn die Passagiere der dritten Klasse waren unter dem Vorderdeck untergebracht, nicht weit vom Maschinenraum entfernt. Doch inzwischen hatte sie sich entschlossen, diese gewaltige, beharrlich arbeitende Kraft als ihre Verbündete zu sehen. Anders als ein Segelschiff, das die Meereswinde nutzen musste, zog der Dampfer schnurgerade seine Bahn durch die Wellen, steuerte ohne Umwege sein Ziel an und brauchte keine Flauten zu fürchten. Dieses lärmende, feurige Höllenwerk im Bauch des Schiffes trug sie ihrem Ziel entgegen– es war eine gute, eine verlässliche Kraft.
    Sie nahm noch einmal den Anblick des blitzenden, kobaltblauen Meeres in sich auf, sog tief die kühle Meeresbrise in ihre Lungen, dann stieß sie sich seufzend von der Reling ab und wandte sich der von einem Holzgeländer umrandeten Luke zu, durch die man hinunter ins Zwischendeck stieg. Sie musste nach Klara und Christian sehen, die beide trotz des schönen, sonnigen Wetters bisher nicht auf Deck erschienen waren.
    Die wiedererwachte Zuneigung zu ihrem Mann, ihre Rührung über seine Versuche, über sich selbst hinauszuwachsen und Geld für die Reise zu verdienen, hatten nicht lange angehalten. Schon bald nach ihrer Ankunft in Hamburg, als ihr Onkel Gerhard sie in seine enge Zweizimmerwohnung führte, waren heftige Streitigkeiten ausgebrochen. Christian war zornig geworden, als er den Schmuck sah, nahm ihr übel, dass sie ihm diesen Schatz verheimlicht hatte. Noch schlimmer wurde es, als sie darauf bestand, die Schmuckstücke allein und ohne seine Begleitung zu verkaufen, denn er war davon überzeugt, dass sie in ihrer Unerfahrenheit betrogen wurde. Den Erlös, den sie schließlich nach vielen misslungenen Versuchen und beharrlichem Feilschen erzielte, bezeichnete er als lächerlich, sie habe nur einen Bruchteil des wirklichen Wertes erhalten und sich kräftig übers Ohr hauen lassen. Wäre nicht Klara bei ihnen gewesen, die immer wieder besänftigte und vermittelte, dann hätte Charlotte ihre Zunge nicht länger im Zaum halten können und Dinge gesagt, die ihr später leidgetan hätten. Auch Gerhard, der sich rührend um sie kümmerte, fand keine Gnade vor Christians Augen. Was dieser Mensch wohl treibe? Wie er in solch einer verkommenen Bleibe in Hafennähe überhaupt leben könne? Mit all diesem merkwürdigen Zeug in der Wohnung.
    Charlotte hatte bisher keine Ahnung gehabt, womit ihr Onkel seinen Lebensunterhalt verdiente, und sie zweifelte daran, dass überhaupt jemand in der Familie Genaueres darüber wusste, auch die Großeltern hatten stets nur vage Andeutungen gemacht. Onkel Gerhard war Musiker, es gab einige Geigen und eine Laute in seiner Wohnung, aber auch eine Trompete, mehrere Flöten und eine Trommel. Dazu hingen überall seltsam bunte Gewänder herum, lange Seidenstrümpfe, Schuhe aus glänzendem Leder und allerlei Flitterkram, der an Theater oder Zirkus denken ließ. Christian behauptete abschätzig, Gerhard sei ein Vagabund und Straßensänger, vielleicht auch einer dieser geschminkten Artisten, die in kleinen Theatern oder Varietés auftraten, zusammen mit Tänzerinnen, zahmen Löwen oder dressierten Pudeln.
    Vielleicht hatte er sogar recht, denn während der wenigen Tage, die sie dort wohnten, packte Gerhard jeden Nachmittag allerlei Kleider und Instrumente ein, um damit zu verschwinden, und meist kam er erst spät in der Nacht zurück.
    Dennoch war er ein gütiger Mensch, ohne seine Hilfe hätten sie diese Reise niemals antreten können. Er hatte drei Fahrkarten für den Reichspostdampfer Bundesrath für sie vorbestellt und angezahlt, versorgte sie mit Lebensmitteln und teilte seine enge Bleibe mit ihnen. Er wollte auch die Anzahlung nicht zurückhaben, schließlich habe ihm Charlotte das Klavier geschenkt. Sie versprach ihm, die Schulden abzuzahlen, sobald sie in ihrer neuen Heimat Fuß gefasst hatten. Die übrig gebliebene Summe war nicht groß, aber sie musste reichen, um sich damit eine bescheidene Existenz aufzubauen.
    Noch während sie die Treppe hinabstieg, vernahm sie Christians Stimme– er schien sich angeregt mit einigen Mitreisenden zu unterhalten.
    » Mkwawa– nie gehört. Wer soll das sein? Ein Neger?«
    Ein leises, höhnisches Lachen war zu hören.
    » Sie sollten diese Kerle nicht unterschätzen. Mkwawa und seine Leute haben vor einigen Jahren über dreihundert Askari samt den deutschen Offizieren niedergemacht. In zehn Minuten waren sie alle hin. Auch der

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