Himmel ueber fremdem Land
in vielen Betrieben besetzten genau diese Banken auch Aufsichtsratsposten. Den Druck, den sie auf Firmen ausübten, ob nun direkt oder als Kreditgeber, wuchs allmählich ins Unerträgliche.
Sein Ziehvater beruhigte sich wieder und nahm hinter dem wuchtigen Eichenholzschreibtisch Platz. Unter seinen buschigen Augenbrauen taxierte er sein Mündel. »Wir sind eine angesehene Familie, auch wenn du mittlerweile unseren Ruf ein wenig ramponiert hast – wobei ich zugeben muss, dass so mancher Zeitgenosse heimliche Bewunderung oder gar Neid dir gegenüber empfindet. Die aussichtsreiche Vermählung von Joseph und die sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten in den Niederlanden waren für Meindorff-Elektrik ein wichtiger Schachzug.«
Philippe hörte nicht länger zu. Jetzt erklärte sich ihm die Verbindung zwischen seinem älteren Ziehbruder und Tilla. Seine Besorgnis bezüglich der Zukunft von Meindorff-Elektrik wuchs. Tilla van Campen und ihre Familie hatten selbst einem gewieften Fuchs wie Meindorff erfolgreich vorgegaukelt, nach wie vor eine angesehene, erfolgreiche Familiendynastie in den Niederlanden zu sein. Vielleicht mochte sich sowohl für die Elektrowaren als auch für die Brauereiprodukte der Meindorffs in den Niederlanden tatsächlich ein neuer Markt erschließen, doch der würde bei Weitem weniger Bedeutung haben als sein Ziehvater sich erhoffte. Und mit dieser zweifelhaften Sicherheit in der Hinterhand nahm er einen neuerlichen, sicher erheblichen Kredit bei einem Geldinstitut auf?
Mit zusammengebissenen Zähnen erwog Philippe, ob er sich in die geschäftlichen Angelegenheiten der Familie einbringen sollte, oder ob er lieber weiterhin bei seinem bisherigen Standpunkt blieb, dass ihn diese im Grunde nichts angingen.
Meindorff riss ihn aus seinen Überlegungen: »Du wolltest mir aber etwas anderes mitteilen, bevor du dich auf den Weg zurück nach Afrika begibst.«
Der ältere Herr nahm Philippe mit seiner Frage die Entscheidung ab. Er war für sein eigenes Leben verantwortlich, das sich kaum noch mit dem seiner Ziehfamilie verknüpfte, seit er in der Kadettenanstalt aufgenommen worden war.
»Ich heirate in den nächsten Wochen«, ließ er verlauten.
Meindorff sah ihn erst erfreut, dann aber mit zunehmend misstrauischem Blick an. »Mir ist von keiner Verbindung berichtet worden.«
»Das kann auch schwerlich der Fall sein. Die junge Dame lebt in Südwest.«
Der Blick seines Gegenübers erhellte sich wieder. Offenbar überlegte Meindorff, welche einflussreiche Familie inzwischen lange genug im fernen Afrika lebte, um Philippes Eskapaden nicht oder nur am Rande mitbekommen zu haben und deshalb noch gewillt war, ihm ihre Tochter anzuvertrauen.
»Eine Hinrichs?«
»Sie heißt Udako und stammt aus dem Volk der Nama.«
Jegliche Farbe wich aus Meindorffs Gesicht. Als er sich wie so oft in letzter Zeit den linken Oberarm massierte, sah Philippe seine Hand heftig zittern.
Kapitel 12
Windhuk, Deutsch-Südwestafrika,
März 1908
Durch die lichtdurchflutete Weite des Landes, das sich mit seiner rötlichen Erde und den sanften grünen Hügeln scheinbar unendlich weit ausstreckte, zogen sich vereinzelte Wasserläufe. Niedriges Buschwerk, breitstämmige Kameldornbäume und im Wind tanzendes Savannengras rahmten sie ein. Über der Savanne lag glasklare Luft, doch zwischen den Rundhütten des Konzentrationslagers wirbelten kräftige Böen den feinen roten Sand auf. Hinter den Kuppen des Auasgebirges wuchsen weißgraue Wolken dem Himmel entgegen, was zur Folge hatte, dass sich die Wärme des Tages über dem trockenen Boden staute und von den Wänden des flachen Verwaltungsgebäudes zurückgeworfen wurde.
Udako wischte sich mit dem nackten Arm über ihre Stirn. Hier auf dem baumlosen Hügel vor Windhuk gab es nichts, was Schatten spendete, außer den Rundhütten, die in einem fast perfekten Rechteck akkurat nebeneinander angeordnet standen und den Lagerinsassen ihre Zwangsheimat boten. Im Hintergrund, neben dem freien Platz, auf dem im Augenblick ein paar Kinder spielten und ansonsten die Appelle stattfanden, flatterte die grauweiße Plane eines großräumigen Zeltes.
Sie eilte einen mit Gesteinsbrocken übersäten Hügel hinunter, vorbei an zwei eigentümlich geformten Termitenbauten und die undurchdringliche Dornenhecke entlang, bis sie den Eingang des Lagers erreichte. Dort angekommen musterten sie die beiden deutschen Wächter misstrauisch.
Die Männer waren neu, was Udako neben der Tatsache, dass sie sie
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