Himmel über London
berühmten roten Busse betrachtete, beschloss er, dass er nie wieder seinen Fuß in die Räume von Kopper Car Splendid Service and Wash setzen würde und dass … dass er vielleicht gar nicht wieder nach New York zurückkehren würde.
Es war ein Gedanke, der sich in ihm festbiss und wuchs, einen kleinen Samen dafür hatte es bereits am gestrigen Tag gegeben, so eine Idee, die noch kein Tageslicht vertrug, eine bis dato noch verbotene Frucht. Und sie hatten nicht darüber gesprochen. Tatsache war, dass sie bis jetzt mit keinem Wort die Zukunft berührt hatten, dennoch fühlte er, dass Leya genauso dachte, genau wie er. Zufall und Schicksal hatten sie wieder zusammengeführt, dieses Mal durften sie das nicht wegwerfen. Und auch wenn er – aus zwingenden praktischen Gründen, wie es hieß – gezwungen war, sich am Samstag ins Flugzeug zu setzen, so würde er doch nach London zurückkehren und sein neues Leben mit Leya beginnen, sobald es nur möglich war. So war es, und so sollte es sein.
Heute war Donnerstag – ein Tag vor der Siebzigjahrfeier und dem eigentlichen Grund für seine Reise hierher –, aber inzwischen erschien ihm das eher wie eine Nebensache. Er hatte eine Nachricht bekommen, dass ihn ein Wagen um halb acht Uhr abends vor dem Hotel abholen würde, und er hatte sie entgegengenommen, ohne besonders viel Erwartung oder Begeisterung zu spüren. Es war die Begegnung und die Wiedervereinigung mit Leya, die zum wahren Inhalt seiner Reise über den Atlantik geworden waren, zum wahren Sinn. Und was auch immer dieser Abend mit sich bringen würde, was der Gönner, dieser geheimnisvolle Leonard V, auch für Absichten hegen mochte, so würde das nichts an Milos’ neuer Zuversicht und seinem hoffnungsvollen Optimismus ändern. In keiner Weise.
Sie hatten beschlossen, um ein Uhr zusammen zu Mittag zu essen. Im Barkers Building in der Kensington High Street, dem japanischen Restaurant eine Treppe hoch, und er dachte, dass sie dort über die Zukunft reden würden. Die Gelegenheit war wie geschaffen dafür, und er hatte das Gefühl, dass Leya genauso empfand. Sie hatten die Nacht dem Jetzt und einander gewidmet – nicht irgendwelchem Geplapper und Pläneschmieden, denn es gab vieles, was man überhaupt nicht in Worte fassen musste. Beispielsweise die Gewissheiten der Liebe. Oder etwa nicht?
Er schmunzelte vor sich hin und kehrte ins Bett zurück. Leya hatte ihr Frühstückstablett kaum angerührt, also hatte er zwei Stück, denen er sich widmen konnte, bevor es an der Zeit war, aufzustehen und sich unter die Dusche zu stellen. Es ist unfassbar, aber wahr, dachte Milos Skrupka, als er wieder unter die Decke gekrochen war, sich die Times geschnappt und von dem ersten knusprigen Croissant abgebissen hatte. Mein Leben hat sich gewandelt, meine Wanderung durch die Wüste hat ein Ende, endlich. Bye Zlatan, bye Phil, bye loneliness!
Drei Stunden später verließ er das Rembrandt für einen schönen langen Spaziergang durch die Parks, bevor er Leya treffen sollte. Das war langsam schon eine Gewohnheit geworden.
Richard Mulvany-Richards saß gut versteckt hinter einem Guardian , als Mr. Skrupka durch die Lobby an ihm vorbeiging. Er saß dort schon eine ganze Weile, seit halb zehn, und hatte inzwischen bereits vier Tassen Kaffee getrunken. Was im Magen zu spüren war, dafür war der Adrenalinspiegel top. Wohlbehalten draußen auf dem Bürgersteig angekommen, setzte er sich sofort eine Brille mit braungetönten Gläsern auf und eine Mütze. Diese einfachen Verkleidungsutensilien hatte er sich am gestrigen Abend bei Harrods besorgt, und er war überzeugt davon, dass seine Beute ihn nicht wiedererkennen würde. In den geräumigen Taschen seines bodenlangen Mantels trug er zwei Waffen: einen zwölf Zoll langen Dolch und einen ungefähr gleich langen Schlagstock. Es stimmte wirklich, was man vom Kaufhaus Harrods erzählte: Sie hatten alles, was ein Gentleman brauchte.
Mr. Skrupka überquerte die Brompton Road und lief die Montpelier Street hinunter. Richard Mulvany-Richards folgte ihm problemlos in zwanzig Metern Abstand. Oben an der Kensington Road bog Skrupka nach links ab und begab sich kurz vor dem Albert Memorial in den Park. Mulvany-Richards tat es ihm gleich. Das Wetter war am Morgen umgeschlagen, das nächtliche Unwetter war wie weggeblasen, und der Himmel bot eine immer weiter aufreißende Wolkendecke. Es gab viele Leute im Park; Hundebesitzer, Touristen auf dem Weg zu den Museen und ganz normale Londoner, die ihre
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