Himmel über London
meiner Tür.«
»Okay«, sagte Milos.
»Meine Güte, es ist toll, dass du einfach so anrufst. Ich freue mich riesig, dich wiederzusehen. Wir hören dann heute Nachmittag voneinander.«
Ja, dachte Milos Skrupka, nachdem er aufgelegt hatte. Heute habe ich die Götter auf meiner Seite. Aber jetzt muss ich erst mal raus und mich mit der Stadt bekannt machen. Mir einen Stadtplan besorgen. Er schaute aus dem Fenster, die Sonne strahlte da draußen an einem hellblauen Himmel.
»Geschäfte? Was für Geschäfte?«
Es war halb fünf. Sie saßen in einem Espressocafé an der Kensington Church Street. Draußen auf dem Bürgersteig, das Wetter war immer noch herrlich, so war es den ganzen Tag gewesen.
»Ich weiß nicht, ob man es Geschäfte nennen kann«, sagte Milos.
»Wie meinst du das?«
Während er in der Stadt herumgelaufen war, hatte er darüber nachgedacht. Kensington Gardens und Hyde Park. Oxford Street von Marble Arch bis nach Soho. Piccadilly Circus und Leicester Square. Was sollte er Leya sagen, warum er in London war? Das mit den Geschäften klang ja gut, aber wenn er es präzisieren musste, und das musste er natürlich früher oder später, dann war er gezwungen, sie anzulügen. Er erinnerte sich daran, dass sie keine Lügner mochte und dass sie außerdem ziemlich gut darin war, sie zu entlarven.
»Es ist etwas merkwürdig«, sagte er. »Ich weiß selbst nicht so genau, warum ich hier bin.«
Sie lehnte sich zurück und betrachtete ihn mit einer Falte auf der Stirn. Auch an diese Falte erinnerte er sich. Da konnte er ebenso gut gleich die Karten auf den Tisch legen, und warum eigentlich auch nicht? Er hatte doch wohl kaum etwas zu verbergen.
»Ich habe eine Einladung bekommen«, sagte er.
»Was?«
»Ja. Von einem Gönner.«
»Eine Einladung von einem Gönner?«
»Ja.«
Sie machte eine kurze Pause, wischte sich den Mund mit einer Serviette ab.
»Milos, über was redest du da eigentlich? Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Nein, nein«, versicherte er und gratulierte sich dazu, den Brief eingesteckt zu haben. »Guck hier. Lies selbst.«
Er überreichte ihn ihr, und sie las ihn. Die Falte auf der Stirn wurde tiefer.
»Wer ist Leonard?«
»Keine Ahnung.«
»Du weißt es nicht?«
»Nein.«
Sie las den Brief noch einmal, dann saß sie schweigend da und betrachtete Milos, während sie sich auf die Unterlippe biss.
»Das ist ja total merkwürdig.«
»Finde ich auch. Aber Flugticket und Hotel sind bezahlt.«
»Und du weißt wirklich nicht, wer das ist?«
»Nein.«
»Ein alter Verwandter oder so?«
»Ich habe keine Ahnung«, versicherte Milos. »Meine Schwestern haben beide noch nie etwas von einem Leonard gehört. Und ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Leonard getroffen.«
»Ich auch nicht«, stellte Leya fest. »Vor ein paar Jahren war ich auf einem Leonard-Cohen-Konzert, aber das ist alles, was ich mit dem Namen verbinde. Und was haben deine Schwestern dazu gesagt? Und deine Mutter? Ich mochte deine Mutter richtig gern, erinnerst du dich?«
»Sie ist letztes Jahr gestorben«, sagte Milos. »Nein, ich habe eigentlich niemandem etwas davon erzählt. Habe Marta und Helka nur gefragt, ob sie einen Leonard kennen. Aber nie gesagt, worum es eigentlich geht.«
»Wieso nicht? Warum hast du dich nicht näher erkundigt?«
»Das kann ich nicht sagen. Es ist so ein Gefühl … nein, ich weiß es nicht. Als würde es sich um eine Art Scherz handeln.«
Leya hob die Augenbrauen und schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber was glaubst du? Wirklich? Das kann doch nicht einfach ein Scherz sein?«
Milos zuckte mit den Schultern. »Mir fällt nichts dazu ein. Da steht ja, dass ich bei der Feier zu seinem siebzigsten Geburtstag dabei sein soll. Das ist übermorgen, aber ich weiß nicht einmal, wo die Feier stattfinden soll.«
»Und wie sollst du das erfahren?«
»Ich weiß es nicht. Ich nehme an, dass eine Nachricht ins Hotel kommt.«
Sie überlegte einen Moment lang. Während er dachte, dass sie, wenn sie so dasaß und über etwas grübelte, süßer war als jemals zuvor. Er erinnerte sich, dass er das bereits gedacht hatte, als sie noch zusammen gewesen waren.
Und dass seitdem zehn Jahre vergangen sein sollten, war unfassbar.
»Wie lange ist es her, seit du die Einladung gekriegt hast?«
»Ungefähr zwei Monate.«
»Und du hast keine Ahnung?«
Er breitete die Arme aus. »Ich habe ja alles Mögliche überlegt. Aber ich weiß einfach nicht, wie ich es anfangen soll, mehr über diese Sache zu
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