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Himmel über London

Himmel über London

Titel: Himmel über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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war, hatte er ein wenig darüber fantasiert, dass sie möglicherweise zusammen ins Bett gehen könnten, doch jetzt im Nachhinein war er froh, dass sie nicht so weit gegangen waren. Es war immer noch erst Mittwoch, sein Flugzeug zurück zum Kennedy Airport ging nicht vor Samstag. Es gab Zeit. Unmengen von Zeit.
    Er schaute auf die Uhr. Punkt sieben. Zeit, sich in den Speisesaal zu begeben und zu frühstücken. Heute sollte ich wirklich erfahren, wo diese Feier nun stattfinden soll, dachte er, während er im Fahrstuhl stand. Schließlich ist es morgen schon so weit.
    Doch als er fünfundvierzig Minuten später, nachdem er das mächtigste Frühstück seines Lebens zu sich genommen hatte, bei den lächelnden Mädchen an der Rezeption nachfragte, gab es dort keine Nachricht für ihn. Er bedankte sich dennoch artig und entschied sich für ein kleines Nickerchen auf seinem Zimmer. Dieser Jetlag kam und ging offenbar, wie er wollte, er war nicht zu kontrollieren. Andererseits war er jetzt bereits seit halb fünf Uhr wach, da war eine Stunde Vormittagsruhe, bevor er in die Kensington High Street ging, um Leya zu treffen, sicher keine schlechte Idee.
    Er hatte eine Times aus dem Frühstücksraum mit nach oben genommen, und nachdem er sich aufs Bett gelegt hatte, blätterte er einige Minuten lang in ihr herum. Auf Seite fünf las er über jemanden, der »The Watch Killer« genannt wurde, ein Messerstecher, der in London sein Unwesen trieb und der sich offensichtlich damit amüsierte, den Menschen, denen er das Leben nahm, eine kaputte Armbanduhr umzubinden. Das fünfte Opfer war am vergangenen Abend irgendwo in der Nähe vom Richmond Park gefunden worden, es war ein 45-jähriger Mann, einer der Obdachlosen der Stadt laut Zeitung, und wenn die Zeiger der Armbanduhr die Wahrheit sagten, dann war er seinem Mörder genau um 6.35 Uhr begegnet. Ob abends oder morgens, das war nicht auszumachen, da eine Armbanduhr ja nun einmal nichts weiter als eine Armbanduhr ist.
    Wie merkwürdig, dachte Milos Skrupka, kurz bevor er einschlief. Es gibt schlimmere Verrückte hier in der Stadt als in New York. Das hätte ich nicht gedacht.

15

Irina & Gregorius
    S ie wollten sich beim Fahren abwechseln, und ihr wurde klar, dass das ein Fehler war.
    Zumindest war es ein Fehler, Gregorius das erste Stück zu überlassen, die vier Stunden bis zur Pause auf dem Rastplatz vor Antwerpen. Sobald er fertig getankt und sich auf den Beifahrersitz gesetzt hatte, kurbelte er den Sitz nach hinten und holte einen Flachmann mit Whisky heraus.
    »Schön«, sagte er, »jetzt werde ich mich ein wenig besaufen und die Fahrt genießen.«
    Innerhalb einer Stunde hatte er den Flachmann geleert, und je mehr sich der Alkohol in seinem Blutkreislauf ausbreitete, umso intensiver begann er mit seiner Schwester über die wesentlichen Dinge zu sprechen. So nannte er es. Die wesentlichen Dinge. Es war nicht das erste Mal, und auch wenn sie ihren Bruder liebte, so zog sie es doch vor, die unwesentlichen Dinge mit ihm zu besprechen. Wenn er sich wenigstens darauf beschränkt hätte; es war ein Drehbuch, das ihrer Meinung nach deutlich besser zu ihm passte. Wenn Gregorius das, was er als wichtig im Leben betrachtete, besprechen wollte, diese Dinge, die ein wenig tiefsinnig und ein bisschen kompliziert waren, dann lief es stets darauf hinaus, dass er derjenige war, der seine Weisheit an sie weitergab. Eine Weisheit, die seiner Meinung nach einzig und allein er besaß, da er zwanzig Minuten älter war. Vielleicht auch kraft seiner Männlichkeit. In nüchternem Zustand pflegte er dies nie zu tun, und jedes Mal war es wieder gleich pathetisch. Was sie selbst möglicherweise antwortete oder beizutragen hatte, das hörte er gar nicht. Er hatte genug damit zu tun, seine eigenen Gedanken auf der Spur zu halten.
    Wenn er nicht mein Bruder wäre, sondern mein Ehemann, dann würde ich mich noch morgen von ihm scheiden lassen, dachte sie dann immer – und das dachte sie auch jetzt. Was auch immer Gregorius war, er war kein Mann. Er war ein 31-jähriger Junge, und wenn sie ehrlich sein wollte, dann gab es nicht viel, was eine Veränderung verhieß. Mit der Zeit würde er sich – mit schlafwandlerischer Sicherheit – zu einem 41-jährigen – und einem 51-jährigen – Jungen entwickeln. Wenn es seine Gesundheit zuließ. Das war traurig, aber wahr.
    »Man macht sich so seine Gedanken«, erklärte er, während sie hinter einem weißen Mercedes bremsen musste. Auf allen drei Spuren stand der

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