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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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ihnen, strich Aglaia zärtlich über den Kopf und ging wieder zurück in den Salon. Zweimal noch kam der Arzt, setzte sein Hörrohr an und fühlte Horst den Puls. »Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte er leise zu Ferdinand, der ihn zur Tür begleitete.
    Kurz vor Mitternacht öffnete Horst noch einmal die Augen, und ein Strahlen überzog sein Gesicht. »Aglaia, mein geliebtes Kind, wie schön, dass du bei mir bist«, sagte er mit klarer Stimme. Ein letztes, tiefes Aufatmen, dann entwich das Leben aus seinem Körper.
    »Papa ist tot.« Aglaia stand in der Tür des Salons, in dem Ferdinand in einem Sessel eingenickt war. »Würdest du mir helfen, Onkel Ferdinand, ihn nach Hause zu bringen?«
    Ferdinand bewunderte Aglaia für ihre Haltung. Sie weinte nicht, aber er wusste, die Trauer würde sie einholen. Jetzt waren unendlich viele Dinge zu erledigen, Dokumente zu unterschreiben und Depeschen zu verschicken. Der Majordomus wurde beauftragt, das Dienstpersonal zu entlassen, wenige noch offene Rechnungen zu begleichen und das Haus dem neuen Besitzer zu übergeben. All das erledigte Aglaia, ohne auch nur einmal die Fassung zu verlieren. Ferdinand sowie der Bankier Herzberg, der zufällig gerade in Berlin weilte, waren ihr bei all dem behilflich. Am zweiten Tag saßen sie im Salon bei einer Tasse Tee. Aglaia war völlig erschöpft. Sie hatte die letzten beiden Nächte kaum geschlafen und fast nichts gegessen.
    »Es sind da noch einige Legate an altgedientes Personal«, sagte der Bankier, »und es gibt ein Konto für Ihre beiden Söhne, auszuzahlen an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag. Soll ich mich darum kümmern?«
    »Ja, tun sie das, lieber Herzberg«, sagte Aglaia, die kaum noch wahrnahm, was um sie herum vorging.
    »Übrigens …«, fuhr er fort, »ich hatte für Ihren Vater bei einem Notar einen Termin gemacht. Wissen Sie eigentlich, dass er sein Testament zu Ihren Gunsten ändern wollte? Das war der Grund, warum er Sie nach Berlin gebeten hat. Er wollte Sie unbedingt dabei haben.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Er hatte das schon seit langem vor. Aber immer kam etwas dazwischen. Und nun ist es dazu leider nicht mehr gekommen.«
    »Ach, das war der Grund … Aber wozu denn?« Aglaia erhob sich leicht schwankend. »Ich glaube, ich muss mich ein wenig hinlegen. Mir ist nicht gut.« Sie hatte offensichtlich gar nicht begriffen, was Herzberg da eben gesagt hatte. Als Ferdinand mit dem Bankier allein war, goss er zwei Cognacgläser ein.
    »Ich glaube, die brauchen wir jetzt, alter Freund.« Er prostete seinem Gegenüber zu. »Ich nehme an, Wilhelmine hat nun die ganze Verfügungsgewalt über Horsts Vermögen.«
    »Ja, das denke ich auch. Er hat mit mir darüber gesprochen, es ging ihm ja schon eine ganze Weile nicht sehr gut. Und er wollte das unbedingt verhindern. Sie kennen ja ihre Verschwendungssucht.«
    »Werden Sie sie denn weiter in finanziellen Dingen beraten?«, fragte Ferdinand.
    »Selbstverständlich, wenn sie das will.«
    »Na, dann kann ich nur hoffen, dass Wilhelmine Ihren Rat auch annimmt. Und noch einmal herzlichen Dank für Ihre Hilfe. Ich weiß wirklich nicht, wie wir das hier ohne Sie geschafft hätten.«
    Am nächsten Tag fuhren Aglaia und Ferdinand zurück nach Ostpreußen, mit Horst von Wallerstein in einem eichenen Sarg.
    Wie nicht anders zu erwarten, spielte Wilhelmine die trauernde Witwe. Laut schluchzend stand sie am offenen Grab und bejammerte den tragischen Tod ihres geliebten Gatten. Nach der Trauerfeier hatte Elvira kurz Gelegenheit, allein mit ihrer alten Freundin zu sprechen. »Sag mal, Wilhelmine, schämst du dich denn gar nicht, wie du dich hier benimmst? Wo doch schließlich jeder weiß …«
    »Was weiß jeder? Horst wollte zu mir zurückkommen, offensichtlich weißt du das nicht.«
    Elvira starrte sie entgeistert an. »Wie kommst du denn darauf? Bist du noch ganz bei Trost?«
    »Er hatte vor, wieder ganz auf Wallerstein zu leben, und ich bin mir absolut sicher, zusammen mit mir.« Elvira hatte ihre Fassung zurückgewonnen.
    »Was du anscheinend nicht weißt, meine Liebe, Horst wollte sein Testament zu Gunsten von Aglaia ändern. Du solltest lediglich ein lebenslanges bescheidenes Legat bekommen. Nur sein plötzlicher Tod hat das verhindert.«
    Wilhelmine schnappte kurz nach Luft. Dann sagte sie spitz, und ihre Augen funkelten böse. »Na, da habe ich ja noch einmal Glück gehabt.«
    »Dieser Satz«, beteuerte Elvira später immer wieder, »hat das Band unserer Freundschaft

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