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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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für immer zerschnitten.«
    Wilhelmine zog zurück nach Wallerstein. Jedem, ob er es hören wollte oder nicht, versicherte sie, wie sehr sie doch das Landleben vermisst habe. Die Renovierungsarbeiten wurden wieder aufgenommen, weit pompöser, als Horst es geplant hatte. Als seine Witwe und rechtmäßige Erbin verfügte sie jetzt allein über ein beträchtliches Vermögen und gab das Geld mit vollen Händen aus. Sie bestellte neue Möbel und Teppiche, ein Künstler wurde engagiert, den großen Speisesaal und das Frühstückszimmer mit Trompe-l’œil-Malerei auszustatten, und ein Landschaftsgärtner bekam den Auftrag, den Park neu zu gestalten. Natürlich sorgte das für Gerede. Elvira schüttelte nur verständnislos den Kopf. Aber als Wilhelmine noch vor Ablauf der Trauerzeit anfing, große Gesellschaften zu geben, sagte sie: »Jetzt hat sie endgültig den Verstand verloren.«
    Aglaia besuchte einmal in der Woche das Grab ihres Vaters. Wenn sie ihrer Mutter begegnete, was manchmal unvermeidlich war, wechselten sie ein paar belanglose Worte. Man wahrte die Form. Ein paarmal bat Wilhelmine ihre Tochter, doch einen Tee mit ihr zu trinken und sich die neu ausgestatteten Räume anzusehen, aber stets lehnte Aglaia höflich ab.
    »Ich muss wieder nach Hause, Mama. Man erwartet mich.« Irgendwann gab Wilhelmine ihre Bemühungen auf.

Frühjahr 1866

    P reußen macht mobil.« Jesko ließ die Depesche sinken, die Willi ihm eben gebracht hatte.
    »Also lag Strehlen gar nicht so falsch mit seiner Prophezeiung«, stellte Ferdinand fest. »Ich traf ihn an Horsts Todestag im Diener’s. Er deutete an, dass es Krieg geben würde, wenn Bismarcks Verhandlungen mit Österreich weiterhin scheitern sollten.«
    »Die Depesche ist von Moltke, er will mich in seinem Stab haben.«
    »Was?« Elvira ließ den Stickrahmen sinken und sah ihren Mann fassungslos an. »Du willst doch wohl nicht noch einmal in den Krieg ziehen – in deinem Alter?«
    Jesko richtete sich zu voller Größe auf. »Was heißt denn in meinem Alter? Moltke ist zwei Jahre älter als ich, das dürfte dir ja bekannt sein. Und du wirst doch wohl nicht glauben, dass ich mich weigere, dem Vaterland zu dienen, wenn man mich ruft.«
    »Und was ist mit Eberhard? Er wird hier doch dringend gebraucht.«
    »Ja was soll denn mit ihm sein? Er ist Reserveoffizier.« Jesko schüttelte ungläubig den Kopf. Frauen konnten manchmal wirklich Fragen stellen … »Aber zu deiner Beruhigung: Preußen ist mit seinen Verbündeten Österreich weit überlegen. Also werden wir diesen Krieg sehr schnell gewinnen. Und für diese kurze Zeit sind ja Basedow und Plenzrat da.«
    Aber zu Minchens Entsetzen meldete sich ihr Mann freiwillig. »Wie soll dat denn gjehen, Herbertchen, du nich da und der Gjraf och nich …« Sie rang verzweifelt die Hände.
    »Mäxchen kennt sich inzwischen ganz gut aus, schließlich ist er fast achtzehn, und auch Franz mit seinen sechzehn kann schon mächtig zupacken«, redete Basedow beruhigend auf seine Frau ein. »Und schließlich ist ja auch noch der Plenzrat da.«
    »Der hat wohl keene Lust nich, Krieg zu spielen?« Minchen sah ihren Mann wütend an.
    »Doch«, sagte der schmunzelnd, »aber den nehmen se nich, dem hab’m die Dänen 61 das rechte Knie zerschossen.«
    Der Abschied von Jesko und Eberhard war tränenreich.
    »Ich will nicht noch einmal Witwe werden«, schluchzte Elvira, und Aglaia sagte immer wieder: »Pass auf dich auf, Eberhard«, mit Tränen in den Augen. Am Abend vor ihrer Abreise hatten Jesko und Ferdinand noch lange zusammengesessen.
    »Hör zu, Ferdi«, hatte Jesko ernst gesagt, »tu mir die Liebe und halt hier die Stellung, bis wir zurück sind. Es kann wirklich nicht lange dauern. Und sollte mir etwas passieren, kümmere dich um meine Frau.«
    »Nu mal man nicht den Teufel an die Wand, alter Lorbass. Du und Helmuth Moltke, ihr werdet das Kind schon schaukeln.« Er, der wegen seiner diplomatischen Tätigkeit der kriegerischen Auseinandersetzung entkommen war, teilte Elviras Meinung. Jesko war zu alt, um in den Krieg zu ziehen. Andererseits wusste er, sein Bruder hatte keine andere Wahl. Wenn sein alter Freund Helmuth von Moltke, Generalstabschef der Preußischen Armee, ihn rief, musste er folgen. Das verlangte sein Ehrenkodex. »Du kannst dich auf mich verlassen, Bruderherz. Aber seht zu, dass ihr beide möglichst schnell und vor allem gesund wieder nach Hause kommt.«
    Jesko sollte recht behalten. Der Krieg begann am dreiundzwanzigsten Juni und war

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