Himmel über Tasmanien
aufgeräumt?«
»Ich hab’s versucht«, sagte sie rundheraus, »aber ich schaffe es nicht.«
»Ich kann die Liste der Viehzüchter nicht finden, die Ocean Child verkauft haben. Du hast sie nicht gesehen?«
»Vielleicht hab ich sie mit dem ganzen anderen Kram weggeräumt«, sagte sie leichthin. »Du musst dir wirklich ein vernünftiges Ablagesystem zulegen, Joe. Das ist ja ein Saustall.«
Joe sah, dass sie ihren Blick abgewandt hielt. »Hast du die Liste gesehen?«, hakte er nach.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich kann mich nicht erinnern.« Sie schob ihren Stuhl zurück. »Ich lasse den Abwasch für Dianne morgen stehen«, sagte sie und gähnte ausgiebig. »Kann ohne warmes Wasser nicht viel ausrichten.« Sie gab ihm einen Kuss auf den Kopf. »Gute Nacht, Joe. Schlaf gut.«
Joe blieb noch lange sitzen, nachdem sie eilig den Raum verlassen hatte. Seine Gedanken überschlugen sich, während er die Ereignisse und Gespräche der letzten beiden Wochen an sich vorbeiziehen ließ. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass er die Liste nicht finden würde, auch wenn er noch so sehr danach suchte. Aus ihm unerfindlichen Gründen hatte seine Mutter sie weggenommen.
Lulu und Dolly genossen die Ausritte am Morgen, und obwohl Lulu gezwungen war, Anstrengungen zu vermeiden, und nur vom Rande zusehen durfte, empfand sie Joes Gesellschaft als angenehm. Unter den Zureitern herrschte Kameradschaftsgeist, wenn sie gegen Dolly antraten, und eine gewisse Zufriedenheit, wenn sie den Stolz und die Hoffnung in Joes Gesicht sahen. Lulu hatte sich noch nie so zu Hause gefühlt, und mit der Zeit hatte sie immer stärker das Gefühl der Zugehörigkeit zu Galway House und dem ruhigen, schüchternen Mann, der dort lebte.
Sie und Dolly hatten sich nach dem Training am Morgen gewaschen und umgezogen und waren jetzt unterwegs zu Lulus früherer Schule, in der sie begeistert von allen in Empfang genommen wurde, die sich noch an sie erinnerten. Nach einer Stunde Rundgang durch die Klassenräume und einem Kaffee mit der Direktorin kaufte Lulu ein paar Blumen und stellte sie in liebevollem Gedenken auf das Grab ihrer Großmutter. Die Erinnerung an sie war verschwommen, aber sie hatte gewusst, dass die alte Dame für sie gesorgt und sie beschützt hatte, und sie freute sich, als sie sah, dass der kleine Friedhof gut gepflegt war.
Nachdem sie den Friedhof verlassen hatte, besuchte Lulu die drei jungen Frauen, die in der Schule neben ihr gesessen hatten, die engsten Freundinnen ihrer Kindheit gewesen waren und noch immer vor Ort lebten. Von Anfang an war klar, dass ihr Leben sehr unterschiedlichen Pfaden gefolgt war, und in den Augen ihrer ehemaligen Freundinnen lag ein Hauch von Missgunst, als sie Lulus kostspielige Kleidung sahen. Doch die Beklommenheit schwand, als sie merkten, dass Lulu sie nicht vergessen und sich eigentlich nicht verändert hatte. Alle Gegensätze lösten sich in Luft auf, als sie Erinnerungen an Lehrer und Streiche austauschten, und sie hatten sich mit dem Versprechen getrennt, sich bald wieder zu treffen.
Die Stadt selbst hatte sich kaum verändert, und als sie über die Promenade gingen, wurde sie von Menschen gegrüßt, die sich an Lulu als kleines Mädchen erinnerten. Der Spaziergang, der nur ein paar Minuten hätte dauern sollen, nahm über eineStunde in Anspruch und wurde noch verlängert, als Lulu den Laden des Puppenmachers entdeckte.
Sie hatte Dolly hineingezogen und wurde vom vertrauten, berauschenden Geruch nach Holzspänen, Leim und Tabak in Empfang genommen und der warmherzigen Begrüßung durch den alten Mann, der hinter seiner Arbeitsbank saß und liebevoll eine Puppe reparierte, während er seine Pfeife rauchte. Sie hatte als Kind mit Primmy viele Stunden hier verbracht, hatte ihm zugesehen, seinen Geschichten gelauscht, war den Bewegungen seiner knorrigen Hände gefolgt, wenn sie die zerbrochenen Spielzeuge wieder instand setzten. Lulu hatte das Gefühl, als wäre die Zeit stehen geblieben, und sie war wie verzaubert.
Jetzt schlenderten sie am Strand entlang. Das Meer war noch zu kalt, um darin zu planschen, daher liefen sie über den trockenen, weichen Sand gleich hinter dem Grasstreifen und steuerten die Felsen an. Möwen schwebten hoch über ihnen im Wind wie Kinderdrachen, während Regenpfeifer auf der Suche nach Nahrung mit den auslaufenden Wellen hin und her trippelten.
Als sie ans Ende des Strandes kamen, blieb Lulu stehen. Der Wind kam von hinten, peitschte ihr die Haare ins Gesicht und
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