Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)
und an ihre eisernen kleinen grauschwarzen Löckchen. An ihre Perlmutterohrclips und ihre Blusen, die am Hals mit einer Schleife geschlossen wurden. Sie war ein ganzes Stück größer als Mr Vorguilla, und die Leute dachten, dass sie deswegen nie zusammen ausgingen. Aber der wahre Grund war, dass sie außer Atem geriet. Sie geriet außer Atem, wenn sie die Treppe hinaufstieg oder die Wäsche aufhängte. Und schließlich geriet sie sogar außer Atem, wenn sie am Tisch saß und Scrabble spielte.
Anfangs wollte mein Vater nicht, dass wir Geld dafür nahmen, wenn wir ihre Einkäufe erledigten oder ihre Wäsche aufhängten – er sagte, das sei nur gutnachbarlich.
Bet sagte, die probiere nur aus, herumzufaulenzen und zu warten, ob die Leute kamen und sie umsonst bedienten.
Dann kam Mr Vorguilla zu uns und schlug vor, dass Queenie für seine Frau arbeitete. Queenie wollte es gern machen, denn sie war sitzen geblieben und mochte die Klasse nicht wiederholen. Endlich willigte Bet ein, verbot ihr aber jede Krankenpflege.
»Wenn er zu knauserig ist, eine Pflegerin zu bezahlen, ist das nicht dein Problem.«
Queenie sagte, dass Mr Vorguilla jeden Morgen die Tabletten bereitlegte und Mrs Vorguilla jeden Abend in der Badewanne abseifte. Er versuchte sogar, ihre Laken in der Badewanne auszuwaschen, als gäbe es im Haus nicht so was wie eine Waschmaschine.
Ich dachte an die Zeit, als wir in der Küche Scrabble spielten und Mr Vorguilla nach seinem Glas Wasser Mrs Vorguilla die Hand auf die Schulter legte und seufzte, als wäre er von einer langen, anstrengenden Reise heimgekehrt.
»Hallo, Schatz«, sagte er dann.
Mrs Vorguilla senkte den Kopf, um seiner Hand einen flüchtigen Kuss zu geben.
»Hallo, Schatz«, sagte auch sie.
Dann sah er uns an, Queenie und mich, als störte ihn unsere Anwesenheit nicht allzu sehr.
»Hallo, ihr zwei.«
Später kicherten Queenie und ich im Dunkeln in unseren Betten.
»Gute Nacht, Schatz.«
»Gute Nacht, Schatz.«
Wie sehr wünschte ich mir, wir könnten in diese Zeit zurückkehren.
Am Morgen traute ich mich nur kurz ins Badezimmer und stahl mich hinunter, um meine Binde in die Mülltonne zu tun, dann saß ich auf meiner gemachten Liege in der Veranda, bis Mr Vorguilla aus dem Haus war. Ich hatte schon Angst, er müsse überhaupt nicht fort, aber offenbar doch. Sobald er weg war, rief Queenie nach mir. Sie hatte eine geschälte Apfelsine und Cornflakes und Kaffee auf den Tisch gebracht.
»Und hier ist die Zeitung«, sagte sie. »Ich hab mir die Stellenanzeigen angesehen. Aber erst mal möchte ich was mit deinen Haaren machen. Ich möchte hinten was abschneiden und sie auf Wickler drehen. Einverstanden?«
Ich sagte ja. Noch während ich aß, umkreiste mich Queenie und betrachtete mich, versuchte ihre Idee auszuarbeiten. Dann setzte sie mich auf einen Hocker – ich trank noch meinen Kaffee – und begann zu kämmen und zu schneiden.
»Nach was suchen wir jetzt eigentlich?«, sagte sie. »Ich hab was bei einer chemischen Reinigung gesehen. An der Kasse. Wie wär das?«
»Prima«, sagte ich.
»Hast du immer noch vor, Lehrerin zu werden?«
Ich sagte, ich wisse es nicht. Ich nahm an, in ihren Augen sei das eher ein öder Beruf.
»Ich finde, du solltest das machen. Du bist intelligent genug. Lehrer werden besser bezahlt. Sie kriegen mehr als solche wie ich. Du bist unabhängiger.«
Aber die Arbeit im Kino, sagte sie, die ginge in Ordnung. Sie hatte die Stelle letztes Jahr etwa einen Monat vor Weihnachten bekommen, und sie hatte sich wirklich gefreut, weil sie endlich eigenes Geld verdiente und die Zutaten für einen Weihnachtsstollen kaufen konnte. Und sie hatte sich mit einem Mann angefreundet, der auf einem Lastwagen Weihnachtsbäume verkaufte. Er überließ ihr einen für fünfzig Cent, und sie schleppte ihn selbst die Anhöhe hinauf. Sie behängte ihn mit roten und grünen Papierschlangen, das war billig. Sie machte Weihnachtsschmuck aus Alufolie und Karton und kaufte anderen am Tag vor Weihnachten, als er im Drugstore heruntergesetzt wurde. Sie buk Plätzchen und hängte sie an den Baum, wie sie es in einer Illustrierten gesehen hatte. Das war ein europäischer Brauch.
Sie wollte ein Fest geben, aber sie wusste nicht, wen sie einladen sollte. Da war das griechische Ehepaar, und Stan hatte zwei Freunde. Dann kam sie auf die Idee, seine Schüler einzuladen.
Ich konnte mich immer noch nicht daran gewöhnen, dass sie ihn »Stan« nannte. Nicht nur, weil es an ihre intime
Weitere Kostenlose Bücher