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Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Titel: Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Tragen von Gummigaloschen die Augen verdarb, aber wer weiß – eines Tages vielleicht doch.
    Und zum anderen – Sabitha würde bloß lachen. Sie lachte über Warnungen – sie würde sogar lachen, wenn man ihr sagte, dass Schokoladeneclairs dick machten.
    »Ihr letzter Brief hat mich so glücklich gemacht …«
    »Ihr letzter Brief hat mich in Verzückung versetzt …«, sagte Sabitha.
    »… hat mich so glücklich gemacht, denn nun weiß ich, ich habe eine wahre Freundin auf der Welt, nämlich Sie …«
    »Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich mich danach gesehnt habe, Sie in die Arme zu schließen …« Sabitha schlang die Arme um sich und schaukelte vor und zurück.
    »Nein.
Trotz eines extrovertierten Lebens habe ich mich oft sehr einsam gefühlt und nicht gewusst, an wen ich mich wenden soll …«
    »Was heißt das – ›extrovertiert‹? Sie wird nicht wissen, was das bedeutet.«
    »
Sie
schon.«
    Das brachte Sabitha zum Schweigen, und vielleicht kränkte es sie auch. Deshalb las Edith am Schluss vor: »Ich muss auf Wiedersehen sagen, und das schaffe ich nur, wenn ich mir vorstelle, wie Sie das lesen und rot werden …« »Ist das eher das, was du willst?«
    »Wie Sie das im Bett nur mit dem Nachthemd an lesen«, sagte Sabitha, die sich immer rasch erholte, »und daran denken, wie gern ich Sie in die Arme schließen würde, und ich würde an deinem Busen lutschen …«
    Meine liebe Johanna,
    Ihr letzter Brief hat mich so glücklich gemacht, denn nun weiß ich, ich habe eine wahre Freundin auf der Welt, nämlich Sie. Trotz eines extrovertierten Lebens habe ich mich oft sehr einsam gefühlt und nicht gewusst, an wen ich mich wenden soll.
    Ich habe ja Sabitha in meinem Brief schon von meinem Glück berichtet und dass ich nun Hotelbesitzer bin. Ich habe ihr nicht geschrieben, wie krank ich im letzten Winter wirklich war, weil ich sie nicht beunruhigen wollte. Ich will Sie auch nicht beunruhigen, liebe Johanna, will Ihnen nur sagen, wie oft ich an Sie gedacht und mich danach gesehnt habe, Ihr liebes Gesicht zu sehen. Als ich Fieber hatte, meinte ich, dass ich wirklich sah, wie Sie sich über mich beugten, und dass ich Ihre Stimme zu mir sagen hörte, ich würde bald gesund werden, und dass ich die Fürsorglichkeit Ihrer liebevollen Hände spürte. Ich befand mich da noch in der Pension, und als das Fieber vorbei war, musste ich mir viele Hänseleien anhören, vor allem: Wer ist denn diese Johanna? Aber ich war todtraurig, als ich aufwachte und merkte, Sie sind nicht da. Ich habe mich tatsächlich gefragt, ob Sie vielleicht durch die Luft geflogen kamen und bei mir waren, obwohl ich natürlich weiß, dass so etwas unmöglich ist. Glauben Sie nur, glauben Sie mir, der schönste Filmstar wäre mir nicht so willkommen gewesen wie Sie. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schreiben soll, was Sie sonst noch zu mir gesagt haben, denn das waren sehr liebe und intime Worte, aber sie könnten Ihnen peinlich sein. Ich beende diesen Brief nur äußerst ungern, weil ich jetzt das Gefühl habe, Sie in meinen Armen zu halten und leise mit Ihnen in unserem dunklen Zimm er zu reden, aber ich muss auf Wiedersehen sagen, und das schaffe ich nur, wenn ich mir vorstelle, wie Sie das lesen und rot werden. Es wäre wunderbar, wenn Sie das im Bett nur mit dem Nachthemd an lesen und daran denken würden, wie gern ich Sie in die Arme schließen möchte.
    In L-b-
    Ken Boudreau
    Überraschenderweise gab es auf diesen Brief keine Antwort. Als Sabitha ihre halbe Seite voll geschrieben hatte, steckte Johanna sie in den Umschlag, schrieb die Adresse drauf und fertig.
    * * *
    Als Johanna aus dem Zug stieg, war niemand da, um sie abzuholen. Sie machte sich deswegen keine Gedanken – sie hatte schon überlegt, dass der Brief unter Umständen gar nicht vor ihr hier eingetroffen war. (Tatsächlich war er schon da und lag unabgeholt auf dem Postamt, denn Ken Boudreau, der im letzten Winter nicht ernstlich krank gewesen war, litt jetzt wirklich an einer Bronchitis und hatte seit mehreren Tagen seine Post nicht geholt. An diesem Tag war ein weiteres Kuvert hinzugekommen, das den Scheck von Mr McCauley enthielt. Der allerdings schon gesperrt war.)
    Was ihr mehr Sorge bereitete, war, dass es keine Stadt zu geben schien. Der Bahnhof war eine geschlossene Wartehalle mit Bänken an den Wänden und einem heruntergezogenen Rollladen vor dem Fenster des Fahrkartenschalters. Es gab auch einen Güterschuppen – oder etwas, was sie dafür

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