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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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waren zugegen. Männer, die mich argwöhnisch anblickten. Aber zum Glück hatte ich eine Arztwitwe dabei, Frau Thaler nämlich, meine treue Freundin.

    Zu den argwöhnisch Blickenden gehörte auch Kollege und Mitbewerber Doktor Girtz, mit dem ich bereits im Vorraum das Vergnügen hatte. Natürlich hatte er an seiner Bewerbung festgehalten. Ich konnte mir genau vorstellen, was Girtz dachte: Dass er gegen eine Frau verlieren sollte, kam gar nicht infrage. Noch dazu gegen eine so junge. Schwangere. Mit Zwillingen! Eine, die bereits Mutter von zwei Kleinkindern war! Das alles schien ihm auf die Stirn geschrieben zu sein: Geh doch nach Hause, Frau. Immer schön Kuchen backen. Heißt doch Kuchenmeister. Bleib bei deiner natürlichen Bestimmung. Und lass uns Männergilde hier mal die Frauenarztpraxis übernehmen. Wir Männer wissen schließlich am besten über Frauen Bescheid, über ihre Krankheiten und Bedürfnisse, ihre sexuellen Wünsche und Nöte, über das Schwangersein und Kinderkriegen.
    Ich hielt seinem Blick stand und musterte ihn genau so unverschämt wie er mich. Wenn du wüsstest, wie wenig meine Patientinnen mit dir über ihre sexuelle Unlust reden wollen. Und über andere intime Dinge, die sie mit mir längst besprochen haben.
    Girtz blies mächtig die Backen auf und murmelte etwas von: Man könne doch eindeutig sehen, wie ich mit dieser Praxis überfordert sei. Ich würde schließlich jeden Moment mit Zwillingen niederkommen. Am besten gleich heute Abend, beliebte er zu scherzen, dann sei ich wenigstens von erfahrenen Gynäkologen umgeben. Dann brauchte man noch nicht mal nach dem Notarzt zu telefonieren.

    »Sehr witzig!« Stefan ließ es sich natürlich nicht nehmen, bei dieser Sitzung zugegen zu sein. »Sehr witzig, Mann.«
    »Was haben Sie hier eigentlich verloren? Sind Sie Kollege?«
    »Ich bin der Ehemann der Gynäkologin.«
    »Dann gehen Sie nach Hause. Auf Wiedersehen.«
    »Ich begleite meine Frau, die hoffentlich bald eine eigene Praxis führen wird.«
    Ja, so war Stefan. Er stand an meiner Seite. Immer. In guten wie in schlechten Zeiten. Das hatte er versprochen. Ein Mann, ein Wort. Bei Stefan galt die Steigerung: Ein Mann, eine Tat.
    Endlich bat uns das Gremiumskomitee in den Sitzungssaal. Sie kamen gleich zur Sache: »Liebe Kollegin, Ihr Mitbewerber ist ein erfahrener Gynäkologe. Sie dagegen sind eine junge Mutter. Bald eine vierfache junge Mutter. Wie wollen Sie mit vier kleinen Kindern denn in Zukunft noch Zeit für eine gut besuchte gynäkologische Praxis haben?«
    Mein Konkurrent nickte den Kollegen beifällig zu.
    Ich schaute bang zu Stefan hinüber. Der schenkte mir daraufhin seinen hypnotischen Glanzblick, den ich schon seit London an ihm kannte und ursprünglich für eine fiebrige Erkältung gehalten hatte. »Wir schaffen das, Konstanze. Wir ziehen das durch.«
    »Wir haben ein Kindermädchen. Nicole.« Ich breitete die Arme aus und zeigte vage in die Richtung unseres Hauses. »Sie ist fantastisch. Sie hat inzwischen
sogar ihren Führerschein gemacht und kann die Kinder im Volvo herumfahren.«
    Verdammt, dachte ich und wollte am liebsten laut schreien. Würde JEMALS ein MANN öffentlich erklären müssen, wer seine Kinder in den Kindergarten fuhr? Würde ein MANN hier rumstammeln, dass er ein Kindermännchen habe, bei dem seine Kinder gut aufgehoben seien? In welchem JAHRTAUSEND LEBEN WIR DENN!!!! Gleich würden sie in ihre Höhle krabbeln und das Mammut verspeisen, das sie gerade gejagt hatten! Wieso dürfen Frauen studieren, wenn danach WIEDER nicht dieselben Spielregeln gelten?!
    »Sie können doch meine Frau nicht dafür verurteilen, dass sie Deutschland Nachkommen schenkt«, legte Stefan seine politische Platte auf.
    »Nein, im Prinzip natürlich nicht«, fingen die Akademiker an zu murmeln. Im Grunde waren sie ganz nett.
    »Aber in der Praxis sieht es doch leider anders aus …«
    Dieses Gefasel kannte ich inzwischen zur Genüge. »Lassen Sie doch diese patriarchalischen Floskeln!«, rief ich kühn. »Alle reden von Gleichberechtigung, aber damit ist es anscheinend immer noch nicht so weit! Ich habe genauso Medizin studiert wie andere auch, meine Herren. Ich habe eine vergleichbare Qualifikation, und mein ganz besonderes Plus ist es doch gerade, dass ich eine Frau bin. Eine Frau, die alle diese Dinge selbst durchlebt, die unsere Patientinnen in die Praxis treiben. Meine Herren, die männlichen Kollegen verfügen höchstens über theoretisches Wissen - aber ich
weiß, wovon ich

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