Himmels-Taler
auch sonst schon nicht, mein Nest unbewacht zurückzulassen, erst recht nicht, wenn sich ein Räuber in der Nähe befindet.«
»Aber wenn ich meine Gestalt verändere und mit dir fliege, brauchst du dir darum keine Sorgen zu machen. Dann kann Mark hierbleiben und dein Nest bewachen. Er ist ein Wesen von Ehre.«
»Das ist doch aberwitzig!« protestierte Mark.
Draco richtete seinen Blick auf Mark. »Wie kann ich in diesem Punkt sicher sein?«
»Meine Eltern haben ihn zu meinem Begleiter auf meiner Queste bestimmt. In solchen Dingen sind sie sehr wählerisch.«
Draco nickte. »Das habe ich auch gehört. Der König selbst soll es ja leicht angehen lassen, aber seine Frau könnte genausogut eine Drachenbrut aufziehen.«
»Das würde den Drachenjungen aber gar nicht gefallen«, murmelte Dolph.
»Genau. Nicht eines von ihnen würde unbeaufsichtigt das Nest verlassen können. Ich erinnere mich noch an meine eigenen Nestzeiten. Aber ich habe doch gelernt, ein Drache zu werden! Außerdem habe ich auch gelernt, nicht das Urteil einer solchen Kreatur in Frage zu stellen, egal welche Gestalt sie haben mag. Mark, bist du einverstanden, mein Nest zu bewachen, solange ich fern bin?«
»Auf keinen Fall!« widersprach Mark. »Das wäre eine schwerwiegende Verzerrung der…«
»Er ist einverstanden«, unterbrach ihn Dolph. »Wenn es Schwierigkeiten geben sollte, kann er ja seine Knochenpfeife blasen.«
»Ich glaube, er willigt vielleicht doch ein«, meinte Draco. »Dann laß uns abreisen. Wir haben nur noch wenig Zeit. Nimm die Form eines Drachenschmetterlings an und häng dich auf meinen Rücken. Ich komme schneller ans Ziel, wenn ich nicht erst auf dich warten muß.«
»Aber…« rief Mark.
Dolph verwandelte sich in einen Drachenschmetterling und flog schwirrend auf Dracos Rücken, wo er zwischen den Flügeln Platz nahm. Dort hielt er sich ganz fest, weil er wußte, daß ein stürmischer Flug auf ihn wartete.
»Sei vorsichtig!« rief Mark noch, als sie abhoben. Dann verschwand Draco auch schon im Wasser. Sie waren auf dem Weg.
8
Zeremonie
Dolph schloß die Augen und hielt die Luft an, während der Drache sich seinen Weg durch das Wasser bahnte. Dann brach Draco aus der Höhle hervor und stürzte sich in die nächtliche Luft. Er flog so hoch, daß Dolph schon fürchtete, sie würden von den Sternen versengt werden, aber der Drache kannte den Weg und mied sie ohne Mühe.
Nachdem er seine höchstmögliche Flughöhe erreicht hatte, nahm Draco Kurs in Richtung Süden.
Schnell huschten die Sterne vorbei, über und unter ihnen; das große dunkle Land Xanth bewegte sich langsamer, nur an vereinzelten Laternen und natürlichem Leuchten zu erkennen.
»Auf was für einer Queste bist du?« erkundigte Draco.
»Ich will den Guten Magier Humfrey wiederfinden«, erwiderte Dolph prompt. Er war froh, wenn jeder wußte, was er vorhatte, um so mehr Gewicht bekam die Sache. Und weil er sich in einer Drachengestalt befand, fiel ihm die Unterhaltung leichter.
»Wieso glaubst du, daß du ihn finden kannst, wo doch andere gescheitert sind?«
»Ich habe eine Nachricht in der Geheimkammer seines Schlosses gefunden, die lautete ›Gerippe Schlüssel zum Himmelstaler‹, daher wußte ich, daß er sie für mich zurückgelassen hatte, um mir mitzuteilen, wo er sich befindet. Wir sind zu den Skelettinseln gereist, von denen wir glaubten, daß sie gemeint seien, aber alles, was wir dort gefunden haben, war ein weiteres Skelett.«
»Es gibt mehr als einen Schlüssel«, meinte Draco.
»Ja. Als nächstes segelten wir gen Süden. Dort aber nahm mich die Meerfrau gefangen und wollte mich nicht loslassen, bevor wir ihren Feuerwasseropal zurückbrächten, und…«
»Das also wollt ihr von mir!« rief Draco. »Meine Opale!«
»Ja. Weil… Opale? Wie viele hast du denn?«
»Zwei. Ich bin der einzige, der über zwei verfügt, denn sie sind sehr schwer zu bekommen. Sie verstärken die Jugendlichkeit ihres Besitzers, oder zumindest den Eindruck der Jugendlichkeit. Aber warum solltest du, ein Prinz, zum Dieb werden, wo du doch bereits über genügend Jugend verfügst?«
»Na ja, du hast ihm ja dem Meermann gestohlen, daher…«
Dracos Körper erzitterte und wurde immer heißer. »Ich habe ihn nicht gestohlen! Ich habe ihn gewonnen!«
»Indem du seinen Besitzer getötet hast, oder wie?«
»Ich sehe schon, daß ich dich wohl aufklären muß«, meinte Draco grimmig. »Offensichtlich hat die Meerfrau dir nicht die ganze Geschichte erzählt. Was hat sie
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