Himmels-Taler
glaube, ich trampel ein wenig auf ihn herum, um zu sehen, ob er sich ordentlich zerquetschen läßt.«
»Das würde ich nicht tun«, meinte Draco.
Doch die aufmüpfige Flügelechse kam bereits auf Dolph zu, entschlossen, den Kraftmeier zu markieren. Hastig dachte Dolph nach. Er wollte seine Identität nicht preisgeben, hatte aber auch keine Lust, auf sich herumtrampeln zu lassen. Er hatte bemerkt, daß die Drachen hier ihr Feuer nicht einsetzten. Es sollte hier wohl keine Kämpfe geben, doch anscheinend war es schon gestattet, daß man einander ein wenig herumschubste, um zu sehen, wer der Stärkere war.
Nun, damit konnte er leben. Dolph nahm einfach die Gestalt eines größeren Feuerfliegers an. Als der Drachenhahn immer noch näher kam, wurde er noch größer, bis er schließlich größer war als der andere. Er hob einen Fuß.
Überrascht blieb der Drachenhahn stehen. »Der ist größer, als er aussieht!«
»Ja, er wächst mit jeder Herausforderung«, meinte Draco mit einem stillen Anflug von Humor, und die umgebenden Ungeheuer kicherten rauchig.
Dem Drachenhahn fiel plötzlich ein, daß er noch woanders etwas zu tun hatte, wie es Muskelprotze meistens taten, wenn sie feststellten, daß ihr Gegner ihnen überlegen war.
Nun ließen Trompetenschwäne eine Fanfare ertönen. Sofort verstummte alles. Die Zeremonie würde beginnen!
»Wir werden nun die anwesenden Honoratioren vorstellen«, brüllte eine Mantikora. Dieses Ungeheuer war so groß wie ein mundanisches Pferd, es besaß den geteilten Schwanz eines Skorpions, den Körper eines Löwen, die Flügel eines Drachen und den Kopf eines Menschen mit einer dreifachen Zahnreihe in jedem Kiefer. Seine Stimme klang merkwürdig melodisch, sie erinnerte entfernt an eine Trompete oder Flöte, und sie besaß ein außerordentliches Volumen. Dolph kam auf den Gedanken, daß die dreifache Zahnreihe damit zu tun haben könnte. Mit Sicherheit war dies jedenfalls ein lautes und furchterregendes Ungeheuer!
Nun setzte geordnetes Durcheinander ein, als sich die Honoratioren aufstellten. Dann ertönten erneut die Fanfaren. »Komodo ei Dechs, Prinz der Inseln von Indon Echsien«, flötete die Mantikora. Prinz Komodo trat hervor, ein Drache bescheidener Größe mit beinahe unsichtbaren Flügeln. Dolph mußte zweieinhalb Male hinsehen, um sie überhaupt zu erblicken. Aber natürlich existierten sie, weil zu dieser Zeremonie ja nur Flügelungeheuer zugelassen waren.
»Baron Haulass von Shetland«, trompetete die Mantikora, worauf ein geflügelter Esel hervortrabte.
»Herzog Drachenschwanz von Stumpfwitz.« Und ein beeindruckender Drache trat vor, der seinen schlangenähnlichen Schwanz nachschleppte.
»Dampfer von Stover.« Dies war ein Drache der raucherzeugenden Art, die eigentlich zu den Landbewohnern gehörte, Dampfer besaß aber noch Flügelreste.
»Schnauzschnauze von Synchronetz.« Diesmal handelte es sich um ein merkwürdig öliges Ungeheuer mit leuchtenden Chromzähnen.
»Stanley Dampfer, der frühere und zukünftige Spaltendrache.« Fast hätte Dolph laut aufgeschrien, denn er kannte Stanley von früher, er war schließlich einmal Ivys Haustier gewesen. Doch inzwischen war Stanley fast erwachsen, und schon bald würde er wieder seinen eigentlichen Wohnort in der Spalte beziehen. Dolph hielt den Mund, denn wenn er mit Stanley geredet hätte, hätte er sich dadurch verraten.
»Xap Hippogryph, der Brautvater.« Auf ihn achtete Dolph besonders, denn noch nie hatte er Chex’ Vater zu Gesicht bekommen. Xap besaß den Kopf und die Flügel eines Greifs und den Körper eines Pferds, genau wie ein fehlgeleiteter Zentaur, aber er war ein außerordentlich attraktives Wesen. Dolph fiel ein, daß Chem, die Brautmutter, nicht anwesend sein würde, weil sie eine gewöhnliche Zentaurin ohne Flügel war. Das war bedauerlich. Vermutlich würde es später woanders noch einen Empfang geben, an dem sie teilnehmen konnte. Dolph hatte gehört, daß die Zentaurengemeinde etwas gegen Artvarianten hatte, deshalb hatten sie Chex auch nicht willkommen geheißen. Deshalb hatten die Flügelungeheuer sie adoptieren müssen. Trotz allem, was Dolph bisher über Ungeheuer gehört hatte, merkte er, daß sie ihm langsam immer besser gefielen.
Und so ging es weiter, während Greife, Schimären, Harpyien, Rokhs, geflügelte Pferde und eine Vielzahl von Drachen auf die Bühne traten, um vorgestellt zu werden – und das waren nur die Honoratioren. Die Mehrzahl der teilnehmenden Ungeheuer waren
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