Himmels-Taler
gewesen, als er es sich ausgemalt hatte.
»Glaubst du, daß der Himmelstaler hier ist?« fragte er.
»Wenn ja, dann ist er im Kuchen vergraben«, erwiderte sie. »Dann müßten wir uns bis zu ihm voressen.« Sie schnitt eine Grimasse. »Schon beim bloßen Gedanken daran wird mir…«
»Mir auch«, stimmte er zu; auch er fühlte sich jetzt ziemlich grün im Gesicht. »Deshalb nehme ich auch an, daß er nicht hier ist.« Zwar war er sich dieser Logik nicht ganz sicher, doch für den Augenblick schien sie ihm gut genug zu sein.
Dann, als die Dämmerung einsetzte, erinnerte sich Nada wieder. »Boot! Sie haben sich in ein Boot verwandelt und in ein… in ein…«
»Segel«, beendete Dolph ihren Satz. »Wir sind gesegelt! Wie haben wir das nur vergessen können?«
»Der Vergessenszauber! Du hast das Senfkorn fallen lassen und…«
»Und wir haben das Boot vergessen! Wir haben zwar dafür gesorgt, daß die Krakin es vergaß, aber auf uns hat der Zauber auch gewirkt! Und da Mark das Boot ist… «
»… haben wir Mark vergessen«, beendete sie nun ihrerseits seinen Satz. »Wir haben ihn zwar gehört, konnten uns aber nicht mehr wirklich an ihn erinnern.«
»Da ist er ja!« sagte Dolph, als er den Abhang hinunterspähte. Er winkte. »He, Mark! Komm näher, damit wir wieder einsteigen können!«
»Wird auch langsam Zeit!« erwiderte Marks Schädel.
Gemeinsam mit Nada rutschte Dolph den Kuchenabhang hinunter und sauste platschend ins Wasser. Sie wuschen sich gründlich, vor allem hinter den Ohren, dann kletterten sie in das Boot, als es herangekommen war. Wie gut es sich doch anfühlte, wieder in der Gesellschaft der Erwachsenen zu sein!
»Möchtest du jetzt die nächste Insel erkunden?« fragte Mark.
Dolph stöhnte. »Müssen wir das?«
»Zum Glück nicht«, erwiderte Mark mit dem Anflug eines knochigen Kicherns. »Wir sind eine Weile herumgesegelt, während ihr beschäftigt wart, und wir haben keine weiteren Inseln in der Nähe ausmachen können. Wir werden wohl eine Weile an Land weiterreisen müssen.«
»Oh, schön!« sagte Nada, nahm ihre natürliche Gestalt wieder an und kringelte sich am Boden des Boots zusammen. Sie sah aus, als hätte sie gerade einen ganzen Hasen verschluckt. »Ich glaube, ich werde einen ganzen Monat nichts mehr essen!«
»Bäh!« rief Dolph. »Erwähne bloß nicht mehr das Wort ›Essen‹!«
»Das scheint mir den Gedanken doch Nahrung zu geben«, warf Mark befriedigt ein.
Keines der Kinder erwiderte etwas. Die Bemerkung sollte offensichtlich Erwachsenenhumor dokumentieren. Sie war aber gar nicht komisch. Dolph verwandelte sich in einen Naga und gesellte sich zu Nada. Er fühlte sich immer noch vollgestopft. Nun konnte er mühelos verstehen, weshalb Schlangen nach einer großen Mahlzeit so lange schliefen: Schon der bloße Gedanke an Essen war ihnen unerträglich! Auf jeden Fall war er ihm unerträglich. Wenn er jetzt noch von Kuchen träumen sollte, würde er wissen, daß eine Nachtmähre dafür verantwortlich war.
Das Boot segelte zum Festland hinüber. Als es dort eintraf, waren beide Kinder bereits eingeschlafen.
12
Goldküste
Am Morgen setzten sie ihren Marsch nach Süden fort. Nadas Verdauung war immer noch nicht in Ordnung, und auch Dolph schien es irgendwie nicht ganz gutzugehen, doch keiner von beiden beschwerte sich. Nada wünschte, sie hätte nicht soviel Kuchen und Eiskrem gegessen, aber schließlich spielte sie die Rolle eines Kindes im Alter von Prinz Dolph, mußte sich also von seinen Taten leiten lassen. Hätte sie sich ihm nicht mit scheinbar gleichem Eifer angeschlossen, wäre er vielleicht mißtrauisch geworden. Also hatte sie sich in die Sache hineingestürzt, wohlwissend um die Konsequenzen – unter denen sie nun litt.
Doch es hatte wenig Zweck, über ihren Magen nachzugrübeln. Also hielt sie mit Dolph Schritt und richtete ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge.
Es gefiel ihr wirklich nicht, den Prinzen zu täuschen. Andererseits sah sie die Notwendigkeit dieses Vorgehens ein. Die Lage ihres Volks wurde immer verzweifelter, und sie mußten tun, was sie tun mußten, um sich selbst zu retten. Ihr Vater hatte es ihr vor fünf Jahren selbst erklärt: Die Kobolde konnten wenig anderes tun, als sich zu paaren und Überfälle durchzuführen. Leider taten sie das im Berg Etamin. Durch ihr Paarungsverhalten stiegen ihre Zahlen, was ihre Überfälle immer schlimmer machte. Die Sache mit Draco Draches Nest kürzlich war ein deutlicher Beweis dafür: Noch nie hatten
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