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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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für Frage, Schritt für Schritt.
    »Wenn Sie nicht schwanger sind, warum wollen Sie mir dann die Puppe nicht geben? Wollen Sie etwa selber mit ihr spielen?«
    »Nein. So ein Quatsch. Aber es wäre Verrat.«
    »Verrat an Harry?«
    »Natürlich. An wem sonst?«
    »Ja, an wem sonst«, wiederholte Dr. Retroverria. »Aber wenn wir schon von Verrat spreche n – ist es nicht eher umgekehrt? Sie haben doch gesagt, Harry hätte Sie verraten, damals in Paris.«
    »Harry hat mich immer wieder verraten. Nicht nur in Paris. Ich hatte so sehr gehofft, er würde mich beschützen. Aber er hat mich im Stich gelassen. Auch in Sainte-Odile.«
    »Dort auch? Das wundert mich. Was werfen Sie ihm vor? Er konnte doch nichts dafür, dass man ihn verhaftet hat.«
    »Sind Sie sich da so sicher?«, fragte Laura. Als er schwieg, gab sie sich selbst die Antwort. »Manchmal glaube ich, er hat sich nur verhaften lassen, um mich loszuwerden. Genauso wie der böse Zauberer in seinem Märchen. Der hat auch sein Mirakelmädchen umgebracht.«
    Der Arzt schaute sie aufmerksam an. »Mirakelmädchen? Von einem solchen Märchen habe ich noch nie gehört. Würden Sie es mir erzählen?«
    »Harry hat es selber erfunden. Es handelt von einem Mädchen, das so hässlich war, dass es sich nur verschleiert aus dem Haus traute.« Während sie versuchte, sich möglichst genau an alles zu erinnern, an das duftende Haar und den Zauberer und den schrecklichen Mord, sah sie Harry vor sich, im Garten ihres Hauses.
    »Eine traurige Geschichte«, sagte Dr. Retroverria, als sie fertig war. »Wann hat Harry sie Ihnen erzählt?«
    »Als wir zum ersten Mal das Zauberhaus besichtigt haben. Harry hat mir die Locken gezeigt. In Wirklichkeit waren sie nur Thymian. Aber er nannte sie Mirakelkraut, und zusammen haben wir das Zeug geraucht, um uns damit zu berauschen.«
    »Ich verstehe. Und warum, glauben Sie, hat er die Geschichte für Sie erfunden?«
    Laura zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht wollte er mich damit warnen.«
    »Warnen?«, fragte Dr. Retroverria. »Wovor? Vor ihm selbst?«
    Laura wich seinem Blick aus. Während sie wieder auf den Teich blickte, erinnerte sie sich an die Tränen, die der Zauberer am Grab des Mirakelmädchens vergossen hatte, aus Trauer über seine Tat. Fröstelnd zog sie sich den Schal um die Schultern. Eine Ente plusterte ihr Gefieder auf, als würde auch sie frieren. Am Atlantik kam der Herbst viel früher als in Sainte-Odile. Die Blätter an den Bäumen fingen schon an, sich zu verfärben, und auf dem Teich schwamm erstes Laub.
    Dr. Retroverria räusperte sich. »Warum wurden Sie neulich so zornig, als ich davon sprach, dass Harry Sie seine Windsbraut nennt?«
    »Ich hatte gewusst, dass Sie irgendwann danach fragen«, erwiderte Laura. »Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass es mich an so vieles erinnert.«
    »Woran erinnert es Sie?«
    »Vor allem daran, dass Harry sich immer eingebildet hat, ich wäre seine Muse.«
    »So wie das Mirakelmädchen?«
    »Vielleicht.«
    »Was stört Sie daran?«
    »Ich weiß nicht.« Laura zögerte. »Florence war seine Muse.«
    »War Florence nicht ein großer schwarzer Hund?«
    »Den habe ich nur nach ihr genannt. Florence ist seine ehemalige Frau.«
    »Hat Florence auch Bilder gemalt?«
    »Nein. Sie war seine Muse. Das sagte ich doch!«
    Dr. Retroverria nickte. »Ich glaube, ich weiß jetzt, warum Sie keine Lust haben, seine Muse zu sein. Geraldine hat mir erzählt, dass Si e …«
    »Was hat Geraldine Ihnen erzählt?«, fiel Laura ihm ins Wort. »Sie hat kein Rech t …«
    Er legte seine Hand auf ihren Arm. »Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen. Geraldine hat nur gesagt, dass Sie selbst eine Künstlerin sind. Eine großartige Künstlerin sogar.«
    »Hat sie Ihnen von unserem Bild erzählt?«, fragte Laura. »Von der Himmelsbeute ?«
    »So haben Sie es getauft?« Dr. Retroverria drückte ihren Arm. »Ja, sie hat es mir beschrieben. Es muss ein wunderbares Bild sein. Das gemalte Tagebuch einer Liebe. Ich bin sicher, es wird Sie für immer mit Harry verbinden. Solange Sie leben. Und vielleicht sogar darüber hinaus.« Er machte eine Pause, bevor er weitersprach. »Aber Geraldine hat mir auch von dem anderen Bild erzählt. Dem Bild, das Sie von Harry gemalt haben. In einer Landschaft aus Schnee und Ei s …«
    »Was? Über das Bild haben Sie auch gesprochen?«
    Laura sah Harry vor sich, sein Gesicht, die harten, stechenden Augen, den Mantel, in den er sich hüllte wie in einen Panzer, als dürfe ihn

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