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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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würde, um Harry nach Spanien zu folgen, hatte ihre Mutter einen Nervenzusammenbruch erlitten, und ihr Vater hatte nur einen einzigen Satz gesagt: »Dann wird dein Schatten die Tür unseres Hauses nie wieder verdunkeln.« Obwohl der Notarzt ihre Mutter ins Krankenhaus eingeliefert hatte, war sie gegangen. Sie hatte die Aufregung genutzt und war verschwunden, als die Sanitäter mit der Bahre aufkreuzten. Nie hätte sie dazu den Mut gehabt, wenn sie Harry nicht begegnet wäre.
    War es das, wovor er jetzt zurückschrak? Aus Angst, dass sie ihm womöglich eines Tages vorwerfen würde, sie aus ihrer alten, behüteten Welt gerissen zu haben?
    Als wolle er ihre Vermutung bestätigen, sagte er: »Du bist kaum älter als mein Sohn Bobby. Zu ihm würdest du viel besser passen.«
    »Dein Sohn heißt Bobby? Ein schöner Name. Aber nicht so schön wie Harry.« Sie zeigte auf das Bild, in dem er sie in ein Wildpferd verwandelt hatte. »Oder will der Große Zauberer seinen Zauber wieder rückgängig machen?«
    Statt einer Antwort küsste er sie.
    »Irgendjemand ist immer das Opfer«, flüsterte sie. »Lass uns noch heute aufbrechen. Je früher wir England verlassen, desto besser.«
    »Hast du denn überhaupt keine Angst?«, fragte er. »Nicht mal vor dem Krieg?«
    »Nein«, sagte sie. »Ich laufe ja nicht davo n – und erst recht nicht deinetwegen. Ich tue es nur für mich.«
    Endlich kehrte sein Lächeln zurück. »Die Windsbraut wird zur Kriegsbraut. Ich sehe das Bild schon vor mir, ich muss es nur noch malen. Für unsere Freunde in Spanien.«
    Sie machte sich von ihm los. »Schließen wir einen Vertrag. Ich schenke dir meine Jugend, dafür bringst du mir bei, wie man zaubert.«
    »Willst du nicht erst mal kochen lernen?« Als er ihr Gesicht sah, nickte er. »Du meinst es also wirklich ernst?«
    »Was für eine blöde Frage! Und ob ich es ernst meine! Ich will alles von dir lernen, was du weißt. Um endlich Sehen zu lernen! Und Malen! Und Leben! Zusammen mit dir!«
    »Psst«, machte Harry und legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Nicht so laut!«
    Er deutete mit dem Kopf auf die Polizisten, die sie vom Flur her beäugten. Sie hatten Laura noch nicht erkannt, aber wenn sie eins und eins zusammenzählten, würden sie gleich nach ihrem Ausweis fragen. Zum Glück kam in diesem Augenblick Mr. Amrose die Treppe herauf und verwickelte die zwei Beamten in ein Gespräch.
    »Also gut, abgemacht«, sagte Harry auf Französisch. »Aber nur unter einer Bedingung.«
    »Nämlich?«
    »Dass du mein Gelübde respektierst.« Er nahm ihr Kinn und blickte ihr in die Augen. »Du kannst mich in deinen Träumen haben. Da kannst du meine Frau und Geliebte sein. Aber nur da.«
    »Bild dir ja nichts ein«, erwiderte Laura. »Ohne dein Gelübde hätte ich mich gar nicht in dich verliebt. Pass du lieber auf Dada auf. Damit er dir nicht über den Kopf wächst.«
    »Und noch was«, fügte Harry hinzu, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen. »Ich werde niemals ›Ich liebe dich‹ zu dir sagen.«
    »Gott sei Dank!«, lachte Laura. »Ich hasse Männer, die so kitschiges Zeug reden.«

Zweites Buch
    Die Windsbraut

Paris
1937 – 1938

1
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    Kann ein Mensch irgendwo auf der Welt einsamer sein als in Paris?
    Inmitten eilig hastender Studenten, die in immer neuen Scharen aus den Hörsälen der Sorbonne auf den Boulevard Saint-Michel strömten, irrte Florence durch das abendliche Quartier Latin. Ein feiner Nieselregen senkte sich wie ein unsichtbarer Schleier aus der Dunkelheit auf sie herab. In den Pfützen spiegelten sich die Gaslaternen des prachtvollen Boulevards, zusammen mit den Scheinwerfern der vorüberbrausenden Automobile. Während das Hupen und Lärmen sie nur wie aus weiter Ferne erreichte, kroch ihr die kalte Nässe immer tiefer in den Nacken. Florence schlug den Mantelkragen hoch und lief durch das Gewühl, ohne jemanden anzuschauen. Sie wollte nur einen Menschen sehe n – Harry! Doch der war nicht da, und sobald sie den Blick hob, sah sie an seiner Stelle lauter fremde Gesichter. Hausfrauen, die mit ihren Einkaufskörben in den Häusern verschwanden, um für ihre Männer das Abendessen zu richten. Studenten, die im Eifer einer Diskussion vor den Bistros gestikulierend die Bürgersteige verstopften. Touristen, die mit ihren Reiseführern in den Händen jede Hausfassade wie ein Wunderwerk betrachteten. Und immer wieder Liebespaare. Liebespaare, die Händchen haltend über Pfützen sprangen. Liebespaare, die aneinandergeschmiegt ihre Mappen gegen den

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