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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Regen über die Köpfe hielten. Liebespaare, die sich in Hauseingängen oder im Schein einer Laterne küssten, als gäbe es weder Kälte noch Nässe, sondern nur ihr Glück auf dieser Welt.
    »Verflucht!«
    Ein Auto war direkt neben Florence durch eine Pfütze gerauscht und hatte sie über und über vollgespritzt. Wie gelähmt stand sie da, unfähig, sich zu rühren, und blickte dem Wagen hinterher. Erst als ein Passant sie anrempelte, wischte sie sich das Wasser aus dem Gesicht und hastete weiter, leise ein Ave Maria flüsternd. Seit ihrer Kindheit hatte sie nicht mehr gebetet, nicht mal in dem katholischen Hospital, in dem sie ein paar Jahre als Krankenschwester gearbeitet hatte. Ihre Eltern hatten sie im Geist der Aufklärung erzogen, doch durch Harry hatte sie wieder beten gelernt. Warum hatte er sie verlassen? Es war doch erst gestern gewesen, dass er für sie eine andere Frau verlassen hatte. Jetzt traf sie dasselbe Schicksal. Wie hatte sie nur glauben können, es würde ihr anders ergehen? Alle Frauen, die sich in Harry Winter verliebten, hofften, er würde ihre Liebe erwidern, und alle hatte er sie zerstört. Er besaß eine Anziehungskraft, gegen die es keine Abwehr gab. Dabei war sein Herz mit einem Panzer aus Eis umgeben, an dem jede Nähe gefror. Wäre er wenigstens nach Spanien gefahren, um dort im Kampf zu sterben. Seine Kunst für den Krieg! Aber statt seine Ankündigung wahr zu machen, war er einfach nach Paris zurückgekehrt, um hier sein altes Bohème-Leben weiterzuführen.
    Wieder spritzte eine Fontäne neben Florence auf, doch diesmal gelang es ihr, rechtzeitig auszuweichen. Die Trennung in London war die schlimmste Demütigung ihres Lebens, in einer endlos langen Reihe von Demütigungen, die sie durchlitten hatte. Sie war bereit gewesen, ihre Liebe auf dem Altar seiner Kunst zu opfern und wie eine Nonne an seiner Seite zu leben. Doch statt für die Kunst hatte er sich für dieses englische Flittchen entschieden, als hätte er nie das Gelübde geleistet, mit dem er für alle Zeiten seinen Weibergeschichten abgeschworen hatte. Fünf Wochen war das jetzt her, fünf Wochen täglicher Erniedrigung. Immer wieder hatte sie ihm aufgelauert, seit er wieder in Paris war. Sie hatte ihn angebettelt und angefleht, dass er zu ihr zurückkehre, aber er weigerte sich, mit ihr auch nur zu reden. Dabei musste sie ihm doch etwas Wichtiges sagen, etwas, das sie ihm schon in London hatte sagen wollen, etwas, das ihn genauso betraf wie sie selber. Weil es sie für immer miteinander verband.
    Warum hatte sie nicht auf ihren Vater gehört? Er hatte sie vor Harry gewarnt und alles getan, um ihr diesen Mann auszureden.
    Eine Glocke schlug an, ganz in der Nähe. Ein wenig abseits des Boulevards erhob sich in der Dunkelheit die uralte Kirche von Saint-Germain-des-Prés. Florence schaute zum Turm hinauf. Achtmal ertönte die Glock e – jeder Schlag eine Drohung. Auf einmal bekam sie Angst. Sollte sie vor dem Bildnis der Jungfrau vielleicht eine Kerze anzünden, bevor sie mit Harry sprach? Diesmal würde sie sich nicht abwimmeln lassen, das hatte sie sich geschworen. Wenn er nicht mit ihr sprach, würde sie sich das Leben nehme n – vor seinen Augen!
    Sie wandte sich in die Richtung des Gotteshauses, aber nach nur wenigen Schritten verharrte sie. Im Eingang der Kirche kopulierten zwei Hunde. Der Rüde rammelte, als ginge es um sein Leben. Florence sah im Scheinwerferlicht der vorüberfahrenden Autos sein schmales, helles Glied, das sich in rasender Schnelligkeit hin und her bewegte. Doch plötzlich, von einer Sekunde zur anderen, löste sich der Rüde von der Hündin, und ohne sie auch nur noch einmal zu beschnüffeln, lief er davon.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    Eine Studentin, viel jünger als sie, schaute Florence an, mit einem Gesicht wie eine besorgte Mutter.
    »Was fällt Ihnen ein, mich so anzuglotzen?«
    »Ich dachte, Sie hätten vielleicht den Weg verloren.«
    »Scheren Sie sich zum Teufel!«
    Auf der anderen Straßenseite, jenseits der Kreuzung, erstrahlte das Café Flore . Während die Studentin in der Menge verschwand, überquerte Florence die Straße, unwiderstehlich angezogen von dem gläsernen Lichterglanz. Im Café Flore traf Harry sich fast jeden Abend mit seinen Freunden. Mit klopfendem Herzen trat sie an die hell erleuchtete Fensterfront. Nein, sie hatte sich nicht geirrt. Die ganze Corona war in dem Lokal versammelt: die berüchtigtsten Maler und Dichter und Frauenverführer von Paris, unter

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