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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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wiedergefunden, in unveränderter Form, hier in New York, als Teil einer Collage seines Vaters. Harry hatte ihm nie verraten, dass er der Täter gewesen war.
    Bobby musterte sein Gesicht. Alles riss sein Vater aus dem Leben heraus, um es in Kunst zu verwandeln, gleichgültig, ob es ein Stück Tapete war oder eine ganze Existenz. Wusste er eigentlich, was er damit den Menschen in seiner Umgebung antat? Ja, hatte er überhaupt eine Ahnung, wer diese Menschen waren? Was sie dachten und fühlten und erlebten?
    »Debbie hat mir ein Angebot gemacht«, hörte Bobby sich plötzlich sagen.
    Harry schaute auf, sichtlich erleichtert über den Themenwechsel.
    »Ich weiß. Ein Job für ihr Museum. Ich denke, das könnte eine Chance für dich sein.«
    »Nein, das meine ich nich t …«
    »Aber als Vater muss ich dich warnen«, fuhr Harry fort, als hätte Bobby gar nichts gesagt. »Lass dich nicht ausnützen. Debbie ist eine knallharte Geschäftsfrau. Obwohl sie so reich ist, dass sie vor Geld kaum laufen kann, verlangt sie von mir einen Beitrag zur Haushaltskasse. Das musst du dir mal vorstellen! Dabei besitze ich keinen einzigen Dollar. Für das bisschen, was ich bei ihr esse und trinke, soll ich Bilder malen, wie ein leibeigener Hofmaler, damit sie ihr Museum gratis bestücken kann. Na, jetzt habe ich wenigstens eine Ahnung, wie Velásquez sich gefühlt haben muss, oder Goya ode r …«
    »Würdest du mir bitte zuhören?«, fiel Bobby ihm ins Wort. »Über den Museumsjob bin ich mit Debbie längst einig. Es geht um was ganz anderes. Sie hat mir noch einen Vorschlag gemacht.«
    »Nämlich?«, fragte Harry irritiert.
    »Sie will mich adoptieren.«
    »Sie will dich WAS ?« Harry war so verblüfft, dass ihm die Asche von der Zigarette fiel.
    »Ja, du hast richtig gehör t – adoptieren«, wiederholte Bobby. »Sie meint, als ihr Sohn würden viele Dinge leichter. Ich bekäme eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, ich dürfte reisen, wohin ich will, und bräuchte außerdem keine Arbeitserlaubnis. Das ganze bürokratische Zeug.«
    Als er ausgeredet hatte, sagte Harry eine lange Weile gar nichts. Bobby befürchtete einen Wutanfall. Würde er jetzt den verratenen Vater spielen? Das würde zu ihm passen, beim Abschied in Paris hatte er ja gleich mehrere Anfälle von Erzeugerliebe bekommen.
    »Du hast nichts begriffen«, erklärte Harry schließlich, »aber rein gar nichts! Von wegen Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis.« Er drückte seine Zigarette aus und sah seinem Sohn mit ungewohnter Feierlichkeit in die Augen. »Weißt du, was eine Adoption durch Debbie Jacobs bedeutet?« Er machte eine kurze Pause, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Du wärst ab sofort ein schwerreicher Mann!«
    »Wa s … was willst du damit sagen?«, fragte Bobby verblüfft. »Meinst du etwa, ich soll das Angebot annehmen?«
    »Du müsstest verrückt sein, wenn du es ausschlägst!«, erwiderte Harry. »Ja, kapierst du denn nicht, was für ein Glück du hast?« Mit einem Gesicht, das nicht ganz frei war von Neid, schüttelte er den Kopf. »Mein Gott, manchen gibt’s der Herr im Schlaf.«
    »Abe r …«, sagte Bobby.
    »Aber was?«
    Bobby zögerte, unsicher, wie er es ausdrücken sollte. »Wäre das nicht Verrat?«, fragte er. »Verrat an meiner Mutter?«
    Bevor Harry antworten konnte, trat eine junge Frau an ihren Tisch. Zuerst glaubte Bobby, dass Laura vor ihm stünde. Aber als Harry aufsprang, um sie mit einem Kuss zu empfangen, erkannte er, dass die Frau eine völlig fremde Person war, die er noch nie im Leben gesehen hatte.
    »Gütiger Himmel!«, entfuhr es ihm, als sie ihm die Hand gab. »Was für eine Ähnlichkei t …«
    »Ja, findest du nicht auch?«, erwiderte Harry und strahlte, als wohne er gerade der offiziellen Enthüllung eines seiner Bilder bei. »Darf ich vorstellen? Laureen Spielberg.« Mit charmanter Hilflosigkeit drehte er sich zu der Fremden herum und fragte sie in seinem fürchterlichen Englisch: »Habe ich dir eigentlich schon von meinem Sohn Bobby erzählt, honey ?«
    8
    »Wo geht es bitte zur Damenabteilung?«, fragte Harry.
    »Die Rolltreppe hinauf und dann immer nach links«, antwortete die Verkäuferin.
    Harry war schon ein Dutzend Mal bei Bloomingdale’s gewesen, dem größten und teuersten Kaufhaus von New York, doch noch immer verirrte er sich regelmäßig in diesem gigantischen Labyrinth glitzernder Träume, das sich über fünf Stockwerke erstreckte. Während Debbie in der Schmuckabteilung nach einer Brosche

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