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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Rundreise zurückgekehrt war, hatte sie ein phantastisches Gebäude für ihr Museum gefunde n – nicht in Colorado oder Arizona oder Kalifornien, sondern am Liberty Square in New York. Obwohl es ein wenig abseits vom Zentrum lag, war es mit seinen großen, lichtdurchfluteten Räumen nahezu ideal. Besonders die Eingangshalle hatte es ihr angeta n – der Raum war hoch wie eine Kapelle, hatte eine Empore und sah aus wie der Ballsaal eines transsilvanischen Schlosses. Was für ein wunderbarer Ort, um die Kunst dieses Jahrhunderts sowie das Werk des größten lebenden Künstlers zu feiern!
    Trotzdem konnte Debbie keine wirkliche Freude empfinden. Der Grund war Harry. Sie kümmerte sich um ihn wie um ein Findelkind, das man vor ihrer Tür ausgesetzt hatte. Doch was immer sie tat, um ihm zu helfen oder sein Leben zu verschöner n – nie wurde sie das Gefühl los, dass er sich tief in seinem Innern vor ihr verschloss. Darüber konnte auch die offenkundige Freude nicht hinwegtäuschen, mit der er ihre Wohltaten entgegennahm. So wie er sich weigerte, englisch mit ihr zu sprechen, strahlte er in ihrer Gegenwart stets eine kalte, innere Reserviertheit aus, als würde er all die Dinge, die sie ihm schenkte: das Auto, den Pelzmantel, ihre Lieb e – nur leihweise annehmen. Hatte er Angst, sich ihr zu verpflichten? Zwar hatte sie nicht damit gerechnet, dass er sie nach ihrem Antrag am Grand Canyon gleich nach Las Vegas entführen würde, um sie vor einem aus dem Bett geklingelten Friedensrichter zu ehelichen. Doch dass er sie ohne jede Antwort auf der Straße hatte stehen lassen und über eine Woche lang kein Wörtchen dazu verloren hatte, war mehr, als sie verkraften konnte.
    Sie beugte sich vor, um einen Mitesser auszudrücken. Der Anblick ihres Spiegelbilds verdarb ihr endgültig die Laune. Seit über vierzig Jahren hatte sie dieses Gesicht, und noch immer konnte sie nicht fassen, dass sie damit herumlaufen musste. Warum zum Teufel gab es keine Warenhäuser, wo Frauen wie sie volle Lippen, verführerische Katzenaugen und niedliche Stupsnäschen kaufen konnten? Ihr Gesicht sah aus wie von Woolworth . Nein, sie konnte es Harry nicht verübeln, dass er davongelaufen war, als sie ihm die Heirat angetragen hatte. Sie selber hätte an seiner Stelle genauso reagiert. Auf dem Absatz hatte er kehrtgemacht und war in einen Handelsposten für Touristen geflohen, wo er zwei Dutzend Kachinas gekauft hatte, bunt bemalte Schnitzpuppen, die betrunkene Hopi-Indinaner dort für drei Dollar das Stück anboten.
    Debbie machte sich keine Illusionen: Harry liebte sie nicht. Aber sollte sie deshalb auf den interessantesten Mann verzichten, den sie jemals kennengelernt hatte? Nein, so schnell gab eine Debbie Jacobs nicht auf! Auch wenn sie wusste, dass Harry sie verlassen würde, sobald er sie nicht mehr brauchte, haderte sie nicht mit ihrem Schicksal. Vielmehr dankte sie Gott für jeden Tag, an dem er Laura Paddington von Amerika fernhielt und ihr auf diese Weise die Chance gab, den Augenblick der Trennung in möglichst weite Ferne hinauszuschieben.
    Entschlossen, den Abend nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, rieb sie sich also einen Tropfen Chanel No . 5 hinters Ohr, rückte den Push-up- BH , den ihr Freund Howard Hughes konstruiert hatte, unter ihrem Negligé zurecht, warf tapfer einen letzten Blick in den Spiegel und ging ins angrenzende Schlafzimmer.
    »Was liest du?«, fragte sie, als sie sich zu Harry ins Bett legte.
    »Eine Abhandlung über Kachinas«, murmelte er auf Französisch, ohne von seinem Buch aufzuschauen.
    »Die Indianerkunst hat es dir wirklich angetan, nicht wahr?«
    »Mhmm. Ich glaube, man kann von diesen sogenannten Primitiven eine Menge lernen.«
    Debbie nahm ihm das Buch aus der Hand und legte es auf den Nachtkasten. Zu ihrer Erleichterung ließ er es geschehen. Sie wollte ihm einen Vorschlag machen. Einen Vorschlag, der ihm hoffentlich gefiel.
    »Ich mache mir Gedanken um Bobby«, sagte sie.
    »Warum?«, fragte er und nahm die Brille ab, die er im Bett anstelle seines Lorgnons benutzte. »Soweit ich weiß, geht es ihm blendend.«
    »Mag sein. Aber meinst du nicht, er hätte etwas Besseres verdient, als den ganzen Tag Filmrollen einzupacken und säckeweise zum Postamt zu schleppen?«
    »Immerhin bekommt er dafür fünfzig Dollar im Monat. Davon kann sein Vater nur träumen.«
    Debbie schlüpfte zu ihm unter die Eiderdaunendecke. »Darf ich?«
    »Natürlich.«
    Ohne dass sie ihn darum bitten musste, öffnete Harry die

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