Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
beleidigst.«
    »Aber er ist deiner nicht würdig! Ihr passt so wenig zusammen wie eine Blechtrommel und eine Harfe.«
    Laura schüttelte den Kopf. »Ich weiß, Roberto ist ein einfacher Mensch, mit einem schlichten Gemüt. Aber genau darum ist er der Richtige. Er ist der Mann, den ich jetzt brauche. Er wird mich begleiten.«
    »Wenn du dich selbst nur hören könntest! Alles verrätst du, was uns heilig war!« Harry nahm ihre Hand. »Du weißt, ich glaube weder an Gott noch an das klerikale Ungeziefer in den Kirchen. Aber ich glaube an die Sünde. Und du machst dich der größten Sünde schuldig, die ein Mensch überhaupt begehen kann: der Sünde wider die Liebe.«
    Er zerquetschte fast ihre Hand, in der verzweifelten Hoffnung, ihre Maske irgendwie zu durchdringen, den Panzer aufzubrechen, mit dem sie sich umgeben hatte.
    »Es ist die große Liebe, die uns verbindet, Laura! So etwas wird zwei Menschen nur einmal im Leben geschenkt!«
    »Ich weiß, Harry«, sagte sie. »Abe r – zur großen Liebe gehört auch, dass man weiß, wann sie zu Ende ist.«
    Noch während sie sprach, machte sie sich von ihm los, mit einer einzigen flüchtigen Bewegung, wie man einen Handschuh abstreift. Harry glaubte, verrückt zu werden. Noch nie hatte er sich so sehr nach Laura gesehnt wie in diesem Augenblick. Doch als hätte ihn jemand zur Ader gelassen, versagte sein Begehren angesichts ihrer Entschlossenheit. Er registrierte es, wie man den Krankheitsbefund eines Arztes registriert.
    »Ich habe es dir schon einmal gesagt«, hörte er ihre Stimme, »ich will nüchtern sein. Um endlich frei sein zu können.«
    Harry schloss die Augen und holte tief Luft. War das wirklich ihr letztes Wort? Voller Angst hob er noch einmal den Blick.
    »Endgültig?«, fragte er.
    Laura nickte. »Es war schön mit dir in den Wolken, mein Großer Zauberer, aber das Leben findet auf Erden statt. Es ist Zeit für mich, zurückzukehren.«

Achtes Buch
    Das letzte Bild

Manhattan
1942

1
    1
    Debbie hatte es geschafft, sie hatte ihr großes Ziel erreicht! In einer Woche würde ihr Museum eröffnet: The Century Gallery of Modern Art – eine Ausstellung, in der sich die Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts widerspiegelte, das geistige Drama einer ganzen Epoche. Sämtliche Werke, die bei der Vernissage gezeigt werden sollten, waren schon eingetroffen und hingen zum größten Teil an den Wänden, von den bedeutendsten Künstlern der Welt, von Picasso und Malewitsch, Kandinsky und Mondrian, Braque und Lége r – ja sogar von Chagall hatte Debbie ein paar Bilder in ihre Sammlung aufgenommen, auch wenn dieser gottlose Russe für ein paar Dollar seine eigene Großmutter mit Farbe übergossen hätte.
    Die Architektur des Museums hatte fast noch mehr von Debbies Geld verschlungen als die Bilder, die darin gezeigt werden sollten. Dafür hatte der Architekt gehalten, was seine Pläne versprochen hatten, und das Gebäude, in dem früher ein Schneider seine Werkstatt betrieben hatte, in einen magischen Ort der Überraschungen verwandelt. Alle Stilrichtungen der modernen Malerei waren darin vertreten, jede mit einer eigenen Abteilung. Die Werke der Abstrakten schienen frei im Raum zu schweben, der Saal mit kinetischer Kunst war voller rotierender und beweglicher Apparaturen. Am aufregendsten aber war die surrealistische Galerie in der Eingangshalle, wo die ungerahmten Gemälde auf unsichtbare Träger montiert waren und so ein Raumerlebnis schufen, in dem Realität und Illusion kaum voneinander zu unterscheiden waren.
    Nur eine Wand war immer noch leer, ein drei Meter hoher und zehn Meter breiter, wie die Apsis eines Altars zum Halbrund gewölbter Erker in der Eingangshalle, der für das wichtigste Exponat der ganzen Sammlung reserviert war.
    »Glauben Sie, die Himmelsbeute wird noch rechtzeitig fertig?«, fragte Bobby, der Debbie bei der Hängung der Bilder assistierte.
    »Was weiß ich?«, erwiderte sie. »Mit mir spricht ja keiner.«
    »Aber Sie müssen doch wissen, ob Harry daran arbeitet!«
    »Das Einzige, was ich weiß, ist, dass die Himmelsbeute ein einziger Torso ist.« Debbie zuckte die Achseln. »Kein Wunde r – statt zu malen, gibt mein Mann ja lieber idiotische Interviews.«
    »Interviews?«
    Sie sah an Bobbys Gesicht, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie sprach.
    »Ein Reporter der Washington Post hat ihn nach seiner Meinung über primitive Kunst in Amerika gefragt. Und wissen Sie, was er geantwortet hat? ›Großartig! Das Beste, was ich hierzulande gesehen

Weitere Kostenlose Bücher