Himmelsdiebe
komme!«
Als er die Tür aufmachte, stand nicht Harry auf dem Treppenabsatz, sonder n …
»Debbi e – Sie?«
Unwillkürlich schaute er auf die Uhr. Er wollte eine Entschuldigung für seine Verspätung stammeln, doch bevor er das erste Wort hervorbrachte, sagte sie:
»Harry ist verschwunden!«
Bobby fiel ein Stein vom Herzen. »Für einen Moment dachte ich schon, es wäre etwas Schlimmes passiert. Das ist doch nicht das erste Mal, dass mein Vate r …«
Als er Debbies Gesicht sah, verstummte er. So sahen Menschen aus, die Angst hatten. Wirkliche Angst.
»Ich hatte so sehr gehofft, dass ich ihn hier finden würde«, sagte sie. »Weil Sie doch heute Geburtstag haben.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, versuchte Bobby sie zu beruhigen. »Wenn mein Vater verschwunden ist, ist er bisher noch immer wieder zurückgekommen.«
»Ich weiß«, erwiderte Debbie. »Aber diesmal ist es anders. Ich kann Ihnen jetzt nicht erklären, warum, Sie müssen es mir einfach glauben . – Ach Bobby, und das an Ihrem Geburtstag!« Plötzlich nahm sie ihn in den Arm und drückte ihn an sich, so fest, als wollte sie ihn zerquetschen. »Bitte entschuldigen Sie, ich habe Ihnen ja noch gar nicht gratuliert.«
6
Der Cadillac parkte vor dem Haus. Debbie drückte Bobby ein paar Dollar in die Hand und setzte sich ans Steuer ihres Wagens. Bobby sollte sich ein Taxi nehmen und ins Museum fahren, damit jemand da war, falls Harry sich vielleicht dorthin verirrte. Unterdessen würde sie selbst ihr Glück im mexikanischen Konsulat versuchen. Irgendwo musste Harry ja stecken!
Zum Glück war der morgendliche Berufsverkehr schon vorüber, und die mittägliche Rushhour hatte noch nicht eingesetzt. Trotzdem kam Debbie langsam genug voran, um ihr Gewissen zu prüfen. Wem galt eigentlich ihre entsetzliche Angst, die sie seit dem frühen Morgen durch die ganze Stadt trieb? Ihrem verschwundenen Ehemann, der sie ja doch nicht liebte und auch niemals lieben würde? Oder dem Glanzstück ihrer Ausstellung, mit dem sie die Kunstwelt von der Einmaligkeit ihres Museums überzeugen wollte? Obwohl es keinerlei Anzeichen gab, weder von Harry noch von Laura, dass sie die Arbeit an ihrem gemeinsamen Bild zu Ende bringen wollten, hatte Debbie die Hoffnung nicht aufgegeben, ihr Museum doch noch mit der Himmelsbeute zu eröffnen. Trotz allem, was geschehen war. Aber wenn Harry bis zur Vernissage unauffindbar blieb, war diese Hoffnung endgültig zerstört, genauso wie ihre Ehe.
Und wenn er sich etwas angetan hatte?
Eine halbe Stunde später erreichte sie das mexikanische Konsulat. Vor dem Gebäude stand ein riesiger Möbelwagen. Gott sei Dan k – Laura war noch nicht abgereist. Debbie traf sie in der Eingangshalle, wo sie gerade ein paar Möbelpacker dirigierte, die irgendwelche Kisten ins Freie schleppten.
»Ist Harry hier?«, fragte sie ohne eine Begrüßung.
»Nein, wie kommen Sie darauf?«, erwiderte Laura. »Ich hab ihn seit Tagen nicht gesehen.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte Debbie und schob sie beiseite.
»Was ist denn in Sie gefahren?«
Ohne eine Antwort stürmte Debbie die Treppe hinauf. Doch das Atelier war menschenleer. An der Wand, an der früher die Himmelsbeute gehangen hatte, war die Tapete in Fetzen heruntergerissen. Debbie stürmte weiter ins Schlafzimmer. Aber auch hier keine Spur von ihrem Mann.
»Können Sie mir sagen, was das soll?«, fragte Laura.
Als Debbie in das Gesicht ihrer Rivalin sah, schlug ihr die Wahrheit entgegen wie aus einem brennenden Dornbusch. Laura war genauso ahnungslos wie sie.
In diesem Augenblick begriff Debbie, wem ihre Angst galt. Sie schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus.
»Kommen Sie, Sie müssen sich setzen.«
Laura legte einen Arm um sie und führte sie zu dem einzigen Stuhl, der noch im Raum stand. Debbie schmiegte sich an ihre Schulter wie ein Kind. Es dauerte mehrere Minuten, bis sie sich so weit beruhigt hatte, dass sie wieder sprechen konnte. Dann berichtete sie, was geschehen war: dass Harry seit über zwei Tagen verschwunden war, ohne irgendein Lebenszeichen zu hinterlassen. Und dass er versucht hatte, die Himmelsbeute zu verbrennen.
»Das hat er wirklich getan?«, fragte Laura entsetzt.
Debbie nickte. »Ja. Vorgestern. Er hat die Leinwand ins Wohnzimmer geschleppt, der Kamin brannte schon, ein richtiger Scheiterhaufen. Zum Glück habe ich rechtzeitig bemerkt, was er vorhatte, und konnte ihn daran hindern. Als ich die Leinwand wegschloss, damit er es kein zweites Mal
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