Himmelsdiebe
auch, dass man weiß, wann sie zu Ende is t …«
Mit einem Lächeln warf Laura ihm aus ihrer fernen dunklen Tiefe eine Kusshand zu.
»Es war schön mit dir in den Wolken, mein Großer Zauberer, aber das Leben findet auf Erden statt. Es ist Zeit für mich, zurückzukehren.«
Während die Wut einer grenzenlosen Trauer wich, beugte Harry sich über das Geländer und schloss die Augen. Wieder lächelte seine Windsbraut, hob den Arm, um ihn zu sich zu winken.
»Möchtest du, dass ich zu dir komme?«, flüsterte er.
Laura nickte. Obwohl sich alles in ihm sträubte, ihre Entscheidung zu akzeptieren, begriff er, dass ihm keine andere Wahl blieb. Ja, seine Windsbraut hatte recht. Es gab nur eine Möglichkeit, mit ihr zusammen zu sein.
Harry öffnete die Hände und ließ das Geländer los.
4
Laura schloss die Augen und holte tief Luft. Dann öffnete sie die Tür zu ihrer Wohnung. Roberto erwartete sie bereits in der Eingangshalle.
»Woher kommst du?«, fragte er.
»Du musst nicht alles wissen, was ich tue.«
»Warst du wieder im Museum? Um seine Bilder anzuschauen?«
»Das geht dich nichts an.«
Sie zog den Mantel aus und warf ihn über ein Sofa. Die meisten Möbel waren schon mit Leinentüchern abgedeckt, der Inhalt der Schränke zum größten Teil in den Kisten und Koffern verstaut, die überall in der Wohnung herumstanden. Laura musste vor der Abreise nur noch ein paar Kleidungsstücke packen.
»Und ob mich das was angeht!«, erklärte Roberto. »Ich habe das Recht, die Wahrheit zu erfahren! Du bist meine Frau!«
»Richtig. Ich bin deine Fra u – nicht deine Tochter. Oder willst du, dass ich dich nur noch Geraldine nenne, wenn wir in Mexiko sind?«
Roberto verzog das Gesicht, als hätte er einen Tritt in den Unterleib bekommen. Für einen Augenblick lag es Laura auf den Lippen, ihm zu sagen, wohin sie in aller Herrgottsfrühe verschwunden war. Es stimmte ja, er hatte alles Recht der Welt, die Wahrheit zu erfahren. Nicht, weil sie seine Frau war, sondern weil er der einzige Mensch war, de r …
Bevor sie den Mund aufmachen konnte, reichte er ihr einen Brief.
»Von deinem Verlag«, sagte er. »Er kam, als du fort warst.«
Zum Glück lächelte Roberto schon wieder. Während er ihr aufmunternd zunickte, öffnete sie den Umschlag. Er enthielt den Vertrag für ihr Manuskript. Der Verlag hatte ihr zwei Exemplare geschick t – beide waren bereits unterschrieben. Sie brauchte nur noch gegenzuzeichnen.
»Zahlen sie dir eigentlich ein Honorar?«, wollte Roberto wissen.
»Ja, zweihundertfünfzig Dollar.«
»Ist das viel?«
»Du meins t – für so eine Art von Arbeit?« Laura zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Aber ich glaube, es ist genug, um nicht beleidigt zu sein.«
»Und wann soll das Buch erscheinen?«
»Schon im nächsten Herbst.«
Zwischen Robertos Lippen blitzte der goldene Schneidezahn auf. »Das ist ja großartig! Meine Frau ist eine Schriftstellerin! Was meinst du, soll ich schon mal eine Liste machen, wem wir das Buch alles schicken?«
»Damit kannst du warten, bis ich den Nobelpreis bekomme!« Sie fuhr ihm lachend durchs Haar. »Schön, dass du dich so mit mir freust.«
Während sie anfing zu packen, fragte Roberto ihr ein Loch in den Bauch. Ob es wohl ein Foto von ihr auf dem Umschlag geben würd e … Ob sie Lesungen in Buchhandlungen geben woll e … Ob ihr Buch auch in England erschein e … Geduldig gab sie ihm Antwort auf alles, was er wissen wollte. Seine simplen Fragen taten ihr gut. Sie halfen ihr, den Schmerz zu vergessen. Den Schmerz und die Angst. Sie hatte noch eine letzte Untersuchung machen lassen. Die Untersuchung hatte nichts Neues ergeben.
Sie nahm einen Arm voll Jacken, Hemden und Mänteln von der Garderobe und trug ihn zu einer Reisetruhe.
»Hast du schon die Tickets?«, fragte sie, während sie die Kleidungsstücke verstaute.
»Noch nicht«, erwiderte er. »Aber das Reisebüro hat vor einer Viertelstunde angerufen und gesagt, dass sie für uns bereitliegen. Wir können sie heute abholen, wenn du willst. Allerding s …«
»Ja?«
»Ich meine, wenn du vielleich t … wenn du vielleicht lieber erst noch mal…«
Laura spürte, dass er etwas sagen wollte, sich aber nicht traute, und drehte sich zu ihm um. Roberto schaute auf seine Schuhspitzen, als wäre irgendwo am Boden ein Souffleurkasten eingelassen, von dem er sich Hilfe erwartete.
»Was willst du mir sagen?«
Er hob den Kopf und erwiderte ihren Blick. »Möchtest du wirklich schon vor der Vernissage
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